Hysterisch ist die Reaktion, wenn sich kompetente Zeitzeugen aus den Reihen des MfS zu Wort melden und dem Alleinvertretungsanspruch der BStU zum Thema DDR-Geschichte widersprechen.

Aus diesem Grund musste die in Berlin anberaumte wissenschaftliche Konferenz über die HVA - die Auslandsaufklärung des MfS -  nach Dänemark verlegt werden.

Eine wissenschaftliche Arbeit über das „Militärische Geowesen der DDR“ erschien kürzlich nicht in Deutschland sondern in Österreich. Diese Veröffentlichung ist in keiner Weise mit der BStU-Darstellung von Kartenfälschungen durch das MfS übereinstimmend und dadurch in Deutschland politisch nicht gewollt. Unter dem Aspekt wird nachfolgend dieses Thema betrachtet:   

 

 

 

„Kartenfälschung durch das MfS ?

Oktober 2007

 

 

Kartographie, gewiss ein sehr spezielles Thema. Sich damit zu befassen, lohnt sich im konkreten Fall deshalb, weil es die Methodik zur „Aufarbeitung“ der DDR-Geschichte kennzeichnet.

Zuerst wird mit großem Krakeel dem Volk eine sensationelle Enthüllung vorgesetzt. Man lehnt sich zurück, nimmt die Abscheu des Publikums zur Kenntnis und meint, der Erfolg sei perfekt.

Seriöser, wissenschaftlich belegter Widerspruch der Fachwelt wird gar nicht oder wenn überhaupt, nur abwertend und fern der Massenmedien zur Kenntnis genommen. Eine für die Wissenschaft sehr destruktive Atmosphäre.

 

Es stellt sich die Frage, ob es künftig erforderlich sein wird, objektive Informationen über den Kalten Krieg, über NATO und Warschauer Vertrag oder über die Verhältnisse jener Zeit zwischen BRD und DDR aus ausländischen Quellen zu beschaffen? Manchmal erscheint es, als hätte eine solche Etappe begonnen. Eine Atmosphäre der Abgeklärtheit und Nüchternheit der Bewertung der Geschichte scheint hierzulande nicht möglich.

 

Eine realistische und komplexe Darstellung zum Thema Kartographie und Geodäsie der DDR ist kürzlich in Österreich erschienen. Die politische Situation erlaubt wohl bisher in Deutschland eine solche Herausgabe nicht. 

   

Das „Institut für Militärisches Geowesen“ des Bundesministeriums für Landesverteidigung der Republik Österreich widmet sich in dem Heft „MILGEO“ Nr. 20/2006  „Schriftenreihe des Militärischen Geowesens“, in einer außerordentlich sachlichen und zeitgeschichtlich fundierten Ausgabe dem Thema:

 

Militärisches Geowesen der DDR - Von den Anfängen bis zur Wiedervereinigung“

 

 Auf 237 Seiten kommen Wissenschaftler, kompetente Zeitzeugen und Experten zu Wort. Wissenschaftler, Generale und Stabsoffiziere des Österreichischen Bundesheeres, der deutschen Bundeswehr und Stabsoffiziere a.D. der NVA gehören zu den Verfassern. Das Wort Staatssicherheit erscheint in der Veröffentlichung etwa dreimal, nicht polemisch, sondern sachbezogen.

 

Völlig im Gegensatz dazu, steht das von der BStU im November 2002 herausgegebene Buch

   

„Kartenverfälschung als Folge übergroßer Geheimhaltung? Eine Annäherung an das Thema Einflußnahme der Staatssicherheit auf das Kartenwesen der DDR“

 

Von Wissenschaft und Fachwelt ignoriert oder widersprochen, erscheint dieses Werk wie ein trauriger Witz.

 

Frau Birthler, die Chefin der BStU, stellte auf der Pressekonferenz im Jahr 2002 anlässlich der Veröffentlichung fest, der Nachweis der Fälschung von kartographischen Kartenwerken durch das MfS sei mit dieser Veröffentlichung erbracht. Das Buch sei erst der Anfang eines großen Projektes der Aufarbeitung dieses natürlich dunklen Kapitels kommunistischer Diktatur.

Die Bundesbeauftragte berichtete von einer ganzen Abteilung im MfS, die mit der Manipulation topographischer Kartenwerke befasst war („Berliner Zeitung“, Ausgabe am 16./17. November 2002).

Schlagzeile: „Ministerium für Staatssicherheit fälschte massenhaft Landkarten.“ Der Leser konnte sich von nun an bildlich vorstellen, wie es ablief. Eine ganze Abteilung des MfS über Karten und Plänen gebeugt und fälschte was das Zeug hielt, dem Bürger zum Schaden. Teuflisch.

Sämtliche Pressekommentare und die veröffentlichten Leserbriefe anläßlich der Vorstellung des im Auftrag der BStU herausgegebenen Buches folgten diesem Tenor.

 

Hiervon ausgenommen sind wissenschaftliche Beiträge der Zeitschrift „Kartographische Nachrichten“, die von Beginn an der BStU–Veröffentlichung widersprachen.  

 

 

Kartographie eine Disziplin der Naturwissenschaft?

 

Das führende deutschsprachige Fachorgan für diesen Zweig der Wissenschaft ist die Zeitschrift „Kartographische Nachrichten“ (KN), die „Fachzeitschrift für Geoinformation und Visualisierung, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Kartographie.“

 

In Heft 5/2004 erschien ein Aufsatz zum Thema

„Kartenverfälschung in Deutschland?!“

Hier heißt es u.a., die BStU suggeriere der Leserschaft eine führende Rolle des MfS bei der Geheimhaltung von geodätischen und kartographischen Erzeugnissen. Wörtlich:

 

 „Es werden Thesen aufgestellt, die von systematischen Verfälschungen in den kartographischen Erzeugnissen der DDR sprechen und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) eine bedeutende Rolle auf dem Gebiet der Geheimhaltung von kartographischen Produkten zuweisen.“ Jedoch „...sämtliche Festlegungen zur Einstufung geheim zu haltender Angaben im Bereich des Vermessungs- und Kartenwesens wurden vom Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR in Abstimmung mit dem Stab der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages im Zusammenwirken mit dem Ministerium des Innern erlassen. Grundlage waren die einschlägigen Vorgaben, abgeleitet aus der Militärdoktrin des Warschauer Vertrages. Sie wurden bestimmt durch die Erfahrungen der Sowjetarmee im Zweiten Weltkrieg in Bezug auf die Bedeutung von Kartenmaterial für die Kriegsführung..... Das MfS überprüfte lediglich die als Geheimnisträger vorgesehenen oder verpflichteten Personen, das gesamte Fachpersonal und die Nutzer klassifizierter Unterlagen sowie deren Umfeld und Kontakte. Es bestimmte nicht die Klassifizierungen und Einstufungen von Staatsgeheimnissen anderer Bereiche der Sicherheitsorgane.“

 

Das ist für die BStU nun doch zu starker Tobak. Der wissenschaftliche Anspruch des Buches der BStU ist mir nichts dir nichts unterminiert. Der Anspruch, DDR-Geschichte nur in BStU-Lesart zu dulden, ist lädiert. Das darf nicht sein, deshalb wird zurück geschossen. Im konkreten Fall auf englisch. In der inzwischen erschienenen Ausgabe des o.g. Buches der BStU für den englischen Sprachraum erklärt Frau Birthler im Vorwort, dass ehemalige „DDR-Eliten“ die „Kartographischen Nachrichten“ benutzen, um die DDR-Vergangenheit in einer verklärenden Version darzustellen.

Dabei lässt der Artikel in den „KN“ eine solche Sicht in keiner Weise erkennen. Im Gegenteil, es werden die in der DDR herrschenden widrigen Umstände des damaligen wirtschaftlichen und politischen Systems hervorgehoben. Eine solche Aussage dürfte nicht aus der Feder eines verbohrten Vertreters der DDR–Elite stammen.

Autor des besagten Beitrages in den „KN“ ist ein Herr René Pfahlbusch.

In der o.g. österreichischen Ausgabe „MILGEO“ Nr. 20, an der Herr René Pfahlbusch mitgearbeitet hat, wird dessen Biographie vorgestellt. Danach ist er im Jahr 1974 geboren und im Jahr 1989 mit seinen Eltern in die BRD übersiedelt.

War nicht die DDR-Elite mehrheitlich überaltert? Hier finden wir eine Ausnahme. 15 Jahre alt und schon Elite.

 

Die Redaktion der Zeitschrift „Kartographische Nachrichten“ ließ sich die ihr vorgeworfene politische Instrumentalisierung durch Frau Birthler nicht gefallen und reagierte in der Ausgabe Heft 3/2007.

Dem Vorwort in der englischsprachigen Ausgabe wird entgegengehalten, es sei wenig verständlich, „wenn sie (Frau Birthler) in den sich zu Wort meldenden Kritikern des Buches zuerst und vor allem „Mitglieder der ehemaligen Elite“ sieht, die sich beschweren, dass ihre Stimmen als Zeitzeugen nicht gehört wurden. Denn ein Blick auf Vita und Alter der Autoren der kritischen Beiträge hätte genügt, zu einem gänzlich anderen Schluss zu kommen.“ Es bleibe der Eindruck haften, dass Kritik an dem BStU-Werk von den Herausgebern von vornherein als suspekt eingestuft wird.

                      

Mit wissenschaftlicher Exaktheit belegt der Artikel in den „KN“, Heft 5/2004, dass die Karten der DDR nicht gefälscht oder verfälscht waren. Sie seien „nicht falsch in dem Sinne, daß sie technische Fehler oder eine irreführende Gestaltung aufweisen, sondern die Informationen wurden ausgedünnt und vereinfacht“ -  da, wo man es für notwendig hielt.

Auch heute, trotz modernster Satellitensysteme, deren Aufnahmen zum Teil für die Allgemeinheit zugänglich sind, ist eine exakte Darstellung militärischer Sperrgebiete auf  Landkarten nicht zu finden. An Sperrgebieten enden Straßen, Wege, Bebauung, bundesweit, also auch in den neuen Bundesländern. Wie gehabt. Den Flughafen der US-Air Force in Ramstein findet man beispielsweise auf keiner handelsüblichen Karte, sondern nur einen unstrukturierten hellen Fleck, und der gehört angeblich zum Staatsforst Kaiserslautern. Die öffentlich erreichbaren Karten stellen die Gebiete der Truppenübungsplätze Grafenwöhr, Bergen, Munster oder Colbitz-Letzlinger-Heide genauso inhaltslos dar, wie das in den Karten der DDR war.  Ein Gebiet, welches nicht für jedermann zugänglich ist, muß auch nicht für jedermann abgebildet sein. Jedes Land hat gewisse Sicherheitsinteressen. Das ist nichts Verwerfliches. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde in Deutschland im Bereich des Kartenwesens vieles liberalisiert, jedoch gibt es selbst heute noch EU- und NATO-Staaten, bei denen amtliche Kartenwerke nicht frei zugänglich sind.  

 

Um aber an der „Stasi-Fälscherthese“ festzuhalten, autorisierten gleich vier „Experten“ der BStU, in der Zeitschrift „Vermessung Brandenburg“, Heft 1/2006, einen Artikel unter dem Titel:

 „Die Topographische Karte „Ausgabe für die Volkswirtschaft“ – Staatssicherheit und Kartenverfälschung in der DDR.“

Hier heißt es, im Widerspruch zu Frau Birthler: Die Staatssicherheit brauchte nicht selber zu fälschen, „....weil andere, die sie gegebenenfalls auf Linie hielt, dieses taten. ....sie (das MfS) besaß viele Fähigkeiten zur Repression und Zersetzung und weitgehende Überwachungsfunktionen - nicht zuletzt mit Inoffiziellen Mitarbeitern, die ja kein Phantom sind und ihr auch den nötigen Sachverstand zur Beurteilung des Kartenwesens vermittelten, um Einfluß zu nehmen.“

 

Es wird nicht anerkannt, daß es in der DDR Menschen gegeben hat, die aus freiem Willen und eigenem Antrieb bereit waren, selbst schöpferisch tätig zu werden, ihre Kraft einbrachten und eine solch hervorragende Arbeit leisteten, wie das z.B. die Kartographen der DDR vollbrachten. Das zu akzeptieren würde letztendlich die heilige Mission der Behörde in Frage stellen.

 

Der „Deutschlandfunk“ wiederholte am 12. August 2006 das bereits im Jahr 2003 ausgestrahlte Feature mit dem Titel:

 „Als der Hauptbahnhof verschwand.“ Hier wird u.a. erzählt, ein ehemaliger DDR-Bürger, der über die Ostsee die DDR verlassen wollte, habe die „nasse Grenze“ nicht erreicht. Wegen gefälschter oder verfälschter Karten kam er nicht an der Küste an und verirrte sich im Wald. Der Leser möchte sich diesen Vorfall bitte selbst interpretieren. Jedes Jahr verbrachten hundert Tausende Menschen aus der ganzen Republik ihren Urlaub an der Ostsee. Es stellt sich die Frage, wie haben die sich hierher gefunden?

 

Die „Berliner Zeitung“ schreibt am 8.August 2006 in dem Beitrag „Keine Angst mehr vor deutschen Bomben“:

 „Seit März 2006 darf das britische Kartenamt Landkarten drucken, die nicht vom Militär und Geheimdienst zensiert werden.“ Bis dahin galt ein geheimer Regierungserlass: „Keine Verteidigungsanlagen dürfen auf frei verkäuflichen Karten und Luftaufnahmen erscheinen.“

Die Firma „Orbitale Hochtechnologie Bremen“ schickte Anfang 2007 in Zusammenarbeit und im Auftrag des deutschen und des französischen Verteidigungsministeriums einen Satelliten in den Weltraum, dessen Technik es ermöglicht, an jedem Ort der Erde Objekte bis zu einer Größe von 50 Zentimetern zu erfassen. Die Aufnahmen der sogenannten „SAR-Lupe“ (SAR -Synthetic Aparture Radar) werden nicht etwa einen lustigen Wandersmann sicher durch den Wald geleiten, sondern der obersten militärischen Führung zur Planung und Vorbereitung militärischer Einsätze und den Einsatzkräften zum zeitgerechten Gewinnen aktueller Lageinformationen dienen. 

 

Das Kartenwesen des MfS

 

Bei der Beschreibung der Archivbestände der BStU im Internet ist u.a. folgendes vermerkt:

 

 „Im MfS hielt die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) einen großen Umfang an topographischen Karten bereit.“

 

Dazu ist folgendes zu bemerken:

Die AGM hielt für die Diensteinheiten des MfS und für den eigenen Bedarf topographische Karten bereit. Die Bevorratung in der AGM umfaßte im wesentlichen jeweils 25 Exemplare der Maßstäbe 1:25 000, 1:50 000, 1:100 000 und 1: 200 000 des Territoriums der DDR, der BRD und Westberlins. Soweit vorhanden und erforderlich wurden auch Stadtpläne der Maßstäbe 1:10 000 beschafft. Weiterhin wurden auch Bestände der Maßstäbe 1:500 000 und 1: 1 000 000 geführt. Sämtliche topographische Karten wurden vom Militärtopographischen Dienst des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR käuflich erworben.

 

Welchen Stellenwert man innerhalb des MfS der Topographie bzw. Kartographie tatsächlich widmete, unterstreicht allein die personelle Besetzung.

Die Versorgung des gesamten MfS mit topographischen Karten erfolgte bis zum Ende des MfS im März 1990 durch einen einzigen Mitarbeiter der AGM, der nur etwa fünfundzwanzig Prozent seiner Arbeitszeit dieser Aufgabe widmen konnte. Der Bedarf und das Interesse an topographischen Kartenmaterial im MfS war  äußerst gering.

 

Die vorstehend genannten Kartenmaßstäbe waren, wie in allen Staaten des Warschauer Vertrages festgelegt, durchweg als Vertrauliche Verschlußsache (VVS) gekennzeichnet. Dieser Aufdruck wurde vom Militärtopographischen Dienst des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR schon während der Herstellung vorgenommen. Spezialkarten mit Sondereinträgen, wie z. B. dem System der Pipelines zur Treibstoffversorgung im Bereich des NATO-Kommandos Zentraleuropas, der Kernwaffendepots auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland u.a. waren als Geheime Verschlußsache (GVS) registriert. Weiterhin waren Karten der Maßstäbe 1:500 000 und 1:1 000 000 mit der Geheimhaltungsstufe „Vertrauliche Dienstsache (VD)“ des genannten Territoriums und darüber hinaus vorhanden.

Mit dieser Ausstattung wurde der Bedarf des gesamten MfS im wesentlichen sichergestellt. Neben den in der AGM vorhandenen Karten existierte eine kleine überschaubare Kartenstelle im Wachregiment des MfS in Adlershof.

Nach 1967 wurden die Bezirksverwaltungen des MfS nach einer bestätigten Norm mit  mehreren Sätzen topographischer Karten des Territoriums ihrer Bezirke mit entsprechender Überlappung ausgestattet. Teilweise erhielten auch zentrale Diensteinheiten eine geringe Ausstattung. Diese Bestände wurden periodisch erneuert. Der vorhandene Bestand an topographischen Karten war in der AGM übersichtlich in einem relativ kleinen Raum im Haus 1, Zimmer 206, gelagert. Dieser Raum 206 gehört zur heutigen „Gedenkstätte“ und hier

befindet sich jetzt eine wirklich grausige Gefängniszelle. Ohne Fenster, mit schwarzen Wänden; der „Graf von Monte Christo“ lässt grüßen.  Die Zelle soll aus der ehemaligen Strafvollzugsanstalt des Ministeriums des Innern, Berlin-Rummelsburg, stammen.   

 

Die im MfS vorhandenen Karten wurden regelmäßig aktualisiert und die verbrauchten Exemplare ergänzt.

Aus finanziellen Erwägungen wurden die veralteten Kartenblätter als Verbrauchsmaterial weiter verwendet und im wesentlichen nicht der Vernichtung zugeführt. Das hat gewiss den Gesamtbestand an Kartenmaterial erhöht.

 

Der heute von der BStU verwaltete Archivbestand an topographischen Karten wird mit insgesamt 210 laufenden Metern angegeben. Vermutlich wurden die in den Bezirken vorhandenen Bestände bzw. die des Wachregiments des MfS hier zugeordnet.

Das heißt, man hütet mit entsprechendem Aufwand die Gesamtmenge der alten, im MfS vorhandenen topographischen Karten, die sämtlich vom Militärtopographischen Dienst des Ministeriums für Nationale Verteidigung erworben wurden. Bei Archivführungen verweisen die Mitarbeiter der BStU auf das noch aufzuarbeitende beträchtliche Ausmaß von „Herrschaftswissen“, was sich in diesen Beständen verbirgt.

 

In der o.g. Veröffentlichung schildert Oberstleutnant Dr. Thomas Palaschewski, als Leiter der Militärgeographischen Stelle des Wehrbereichs VII der Bundeswehr, die Übernahme des Militärtopographischen Dienstes der NVA in die Struktur der Bundeswehr. Er berichtet u.a. über die „Absteuerung“ des Materials und der Kartenlager der NVA mit ihren Inhalten sowie deren Überführung in die Bundeswehr.

Wörtlich:

„Spezialkarten, Reliefkarten und Sonderkarten wurden jedoch vernichtet bzw. als Belegexemplare an das Bundesarchiv – Militärarchiv in Freiburg i.B. respective an das Militärgeschichtliche Museum nach Dresden abgegeben. Maßstäbe von topographischen Karten ohne militärische Relevanz wurden zusätzlich an die neuen Landesvermessungsämter übergeben, die sie entweder als historische Karten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen oder sie für die Produktion amtlicher topographischer Karten oder anderer Karten nutzen.“ (Seite 158, 159 der genannten Publikation)

Es ist aber hervorzuheben, dass der Vertreter der Bundeswehr die hohe Qualität der Topographischen Karten der Nationalen Volksarmee würdigte. 

 

Von den  2205 Mitarbeitern der BStU(2005), arbeiten 4 hauptamtliche Mitarbeiter dieser Behörde, darunter zwei ausgebildete Karthographen, an der Verwaltung der Kartenbestände.

 

Im MfS befaßten sich in etwa genau so viel Personen mit der operativen Abwehrarbeit bzw. mit der Beschaffung und Verwaltung der vorhandenen Bestände, dieses im Kalten Krieg wichtigen und außerordentlich brisanten Bereiches.

Mit gleichem Personalaufwand wird eine Aufarbeitung zu einem Thema betrieben, welches im MfS so niemals zur Debatte stand. 

 

Gemäß den biographischen Angaben des Buches „Kartenverfälschung als Folge übergroßer Geheimhaltung? Eine Annäherung an das Thema Einflußnahme der Staatssicherheit auf das Kartenwesen der DDR“ haben 14 Autoren an der genannten Veröffentlichung der BStU mitgewirkt.

Aus den alten topographischen Karten, die bei der NVA abgesteuert wurden, stellte man sehr sinnvoll zum Beispiel Briefumschläge her.  Siehe www.direktrecycling.de. In der BStU dagegen dienen sie wie schon betont, als Beleg der Anhäufung von Herrschaftswissen und von Fälschungsarbeit des MfS. Eine „Absteuerung“ der Bestände hat vermutlich nicht stattgefunden. So hat man sehr viel zu verwalten.

 

Im MfS war das Referat 2 der Hauptabteilung VII/7 neben anderen Aufgaben für die Abwehrarbeit in den Bereichen Vermessungs- und Kartenwesen des Ministeriums des Innern und im VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie Dresden einschließlich der Betriebsberufsschule Eichwalde verantwortlich.

 

Ein Referat war im MfS die kleinste Struktureinheit. In der Regel hatten operative Referate fünf bis fünfzehn Mitarbeiter. Die Aufgabenbereiche waren in Hauptsachgebiete und Sachgebiete aufgeteilt.

Im Referat 2 der Hauptabteilung VII/7 gab es außer der Abwehrarbeit im Vermessungs- und Kartenwesen auch noch andere Verantwortungsbereiche. Daraus ist abzuleiten, dass nur ein Teil der Mitarbeiter  dieses Referates mit der operativen Abwehrarbeit in jenem speziellen Bereich tätig war.

Soll das die kartenfälschende Abteilung gewesen sein?

 

Anfang der 1960er Jahre verwendete der 1.Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, Generalleutnant Bruno Beater, verschiedentlich die Bezeichnung „Linie Vermessungswesen“ im MfS. Prompt benutzt man in der heutigen Veröffentlichung der BStU den Begriff „Linie“ für diesen winzigen speziellen Bereich. Beater hat damit nichts anderes gemeint, als die Notwendigkeit der Schaffung eines solchen, für die operative Abwehrarbeit sachkundigen Arbeitsbereiches innerhalb der Hauptabteilung VII. 

 

Allgemein bezeichnete im MfS der Begriff „Linie“ eine Haupt- oder Selbständige Abteilung mit gleichartigen Aufgabenbereichen in den Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen. Der Definitionsdschungel, der später in einem Wörterbuch systematisiert wurde, spielte in der damaligen Zeit  glücklicherweise keine große Rolle, er wurde erst entwickelt. Bedeutung hatten diese Begriffe für die praktische operative Arbeit weniger. Das Wörterbuch blieb ein Utensil für den Panzerschrank oder ein Arbeitsmittel für Analytiker.

 

Heute wendet man diese Definitionen nach Belieben, häufig entstellt,  je nach Bedarf interpretiert und stets zum Schaden des Urhebers an.

 

Die Autoren lassen bei der Bewertung der Arbeit des Referates 2 der HA VII/7  den festgeschriebenen und tatsächlichen Auftrag der „operativen Abwehrarbeit“ beiseite und unterstellen, einfach mal so, das Referat sei für die „Einflußnahme“ auf das Kartenwesen verantwortlich gewesen.

Damit hat man sich einen Forschungsgegenstand geschaffen, an dem man sich auch personell gut besetzt festhalten kann.

 

Eine Fälscherabteilung des MfS, wie von Frau Birthler behauptet, gab es nicht.

 

Die topographischen Karten der Staaten des Warschauer Vertrages waren seinerzeit für sämtliche Geheimdienste der NATO-Staaten und darüber hinaus interessant und sehr begehrlich. Neben den Karteninhalten bestand das Hauptinteresse an der Beschaffung des Koordinatensystems. Wissenschaftlich-technische Errungenschaften ermöglichen es heute, mit anderen Mitteln eine Rakete exakt ins Ziel zu führen. Eine militärische Karte der NATO mit UTM-Koordinatensystem erhält man trotzdem nicht im Handel.

Ein Autor kommt nicht umhin zu erwähnen, daß allein zur Bestallung der US-Botschaften in den Staaten des Warschauer Vertrages sogenannte Geographie-Attaches wirkten, deren Aufgabe in der Spionage auf dem Gebiet der Kartographie und Geodäsie lag. Zu erwähnen sind aber auch die vielfältigen Aktivitäten der anderen, besonders bundesdeutscher Dienste, die mit gleicher Angriffsrichtung operierten.

 

 

Weiterhin wird es zivile und militärische Karten geben, und weiterhin wird die Geschichte der DDR verzerrt, verbogen und entstellt. Weshalb gibt es diese Schwierigkeiten mit der Wahrheit? Die Bundesrepublik Deutschland ist doch nicht so schwach, um sie zu ertragen. Auf alle Fälle scheint die BStU personell und finanziell bestens ausgestattet, um sich diesem untauglichen Thema zu widmen. Wissenschaftliche Anerkennung wird sie damit nicht erfahren. Fachkreise belächeln das Ergebnis.

Statt sich dem Urteil der BStU unterzuordnen, wie es politisch opportun wäre, verweisen die Wissenschaftler darauf, dass „die Kartographie, das Vermessungswesen und die Geodäsie  Disziplinen der Naturwissenschaften sind, keine Ideologien.“

 

 

Karl-Heinz Kämmer