Zeit der Legenden
Wer geglaubt hatte, dass im 18.
Jahr des Anschlusses der DDR an die BRD Sachlichkeit und Nüchternheit in die
Geschichtsbetrachtungen einziehen und nun auch die westliche Seite des Kalten
Krieges etwas von ihren Geheimnissen preisgibt, kann sich nur enttäuscht
abwenden.
Stattdessen scheint jetzt eine
Zeit der Legenden und der Heldenverehrung vor dem Hintergrund eines immer
undifferenzierter werdenden Geschichtsbildes angebrochen zu sein,
das in der DDR-Geschichte mit
Ausnahme der Lichtgestalten der Opposition ausschließlich nur Böses und Verwerfliches entdeckt.
Unter dem Titel „Umsturzhelfer
Westmedien?“ fand am 30.01.08 an der „Freien Universität“ in Berlin-Dahlem ein „Spiegel“-Forum statt,
das Prof. Dr. Klaus Schröder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der FU
zum Anlass nahm, die Mängel im Wissen der Schüler über die DDR anzuprangern. Dabei
geht es wohl weniger um Wissen über die DDR als um jenes „richtige“ Wissen, um
dessen Verbreitung sich die Zunft von Prof. Schröder seit 18 Jahren anscheinend
nicht unbedingt erfolgreich bemüht.
Ob Podiumsdiskussionen, wie jene
am 30.01.08, bei der kontroverse Standpunkte nicht vorkamen und noch nicht
einmal Fragen aus dem Publikum eingeplant waren, diesen Zustand verbessern,
darf bezweifelt werden. Ein eingespielter Film aus MfS-Archiven brach an der
spannendsten Stelle, der Enthüllung der Zusammenarbeit von in der DDR tätigen
Korrespondenten mit dem BND ab.
Dass die Titelfrage im
gegenseitigen Schulterklopfen und bei der Schilderung
des heldenhaften Kampfes der Westjournalisten und ihrer Zuträger mit der bösen
Stasi, eigentlich unbeantwortet blieb, fiel am Ende auch niemand mehr auf. Wer
es nicht besser weiß, konnte schließlich sicher sein, dass ARD und „Spiegel“
und selbst „Radio Glasnost“, das unter Westberliner Leitung aus Westberlin als
„Stimme der DDR-Opposition“ zeitweilig Radio-Propaganda gegen die DDR betrieb,
eigentlich immer nur das Beste für die DDR und ihre Bürger gewollt haben.
In gleicher jungfräulich reiner
Unschuld präsentierte der RBB am 07.02.08 einen Beitrag über das sog. „Spiegel“-Manifest
aus dem Jahre 1978, bei dem sich der „Spiegel“ als Zentralorgan einer
kommunistischen Oppositions-Gruppe aus der DDR präsentierte, die es anscheinend
aber gar nicht gegeben hat. Dieses Stück aus der Geheimdienst-Abteilung
Desinformation und Zersetzung geriet zum großen Auftritt des Hermann von Berg,
der schon vor 30 Jahren den Untergang der DDR vorhergesagt und dem „Spiegel“-Korrespondenten Ulrich Schwarz das „Manifest“
diktiert haben will.
In dieser Sendung behauptete von Berg, er sei im Verlaufe
einer geheimen Gerichtsverhandlung in der Untersuchungshaftanstalt des MfS in
Berlin Hohenschönhausen durch ein Militärgericht zu einer Freiheitsstrafe von
25 Jahren verurteilt worden. Als Zugabe bekundete er – unter Tränen und
gezeigten Gefühlsaufwallungen – damals gehört zu haben, wie Gefangene in den
Nebenzellen „zusammengeknüppelt“ worden seien und geschrieen hätten. Eine
perfekte Inszenierung, die aber von der Wahrheit weit entfernt ist. Zu keiner
Zeit hat in der genannten U-Haftanstalt des MfS eine
Gerichtsverhandlung stattgefunden, ein Strafmaß von 25 Jahren war in keinem
Gesetz der DDR vorgesehen und nicht einmal die „Zeitzeugen“ im Gruselkabinett
des Dr. Knabe berichten für die 70er Jahre von körperlichen Misshandlungen oder
physischer Folter. Rückfragen bei kompetenten ehemaligen Mitarbeitern des MfS
ergaben zudem Zweifel daran, dass von Berg die genannte U-Haftanstalt überhaupt
von innen gesehen hat. Seine Vernehmung fand vermutlich in einem konspirativen
Objekt des MfS statt. Nachdem von Berg ein Arbeitsangebot in der DDR abgelehnt
hatte, wurde seiner legalen Ausreise in die BRD zugestimmt. Aufklärung könnte
hier die Birthler-Behörde geben, doch wenn westliche Geheimdienste involviert
sind, hüllt sich diese lieber in Schweigen.
Wolfgang Schmidt
10.02.2008
Vgl. auch Bericht des "Neuen Deutschland" vom 09.02.2008 über
eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg zum Jahr 1978 in der
DDR, bei der auch u.a. mit Hermann von Berg über das "Spiegel-Manifest"