"Strahlungsgeräte" des Ministeriums für Staatssicherheit und der Tod von J. Fuchs"

 

In der Nr. 4/99 des "Deutschland Archiv", im Teil Kommentare und aktuelle Beiträge kam auf S. 544 ff.  Herr Hubertus Knabe von der Behörde des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR" mit einem Thema zu Wort, das wegen seiner Brisanz seit Monaten Gemüter erregt.

Will man der Wahrheit auch in Ihrer Zeitschrift näherkommen, darf das, was dort behauptet wird, nicht unwidersprochen bleiben.

Wieder einmal geht es um die "Röntgenkanonen", mit denen angeblich "Stasi"- Untersuchungshäftlinge bestrahlt wurden, die so langfristig zu Tode gekommen seien.

Genannt werden immer die "Regimekritiker" Jürgen Fuchs, Rudolf Bahro und Gerolf Pannach, die an einer sehr heimtückischen, seltenen Krebsart verstorben seien.

Der böse Verdacht gegen Mitarbeiter des MfS wurde - so weiß man - im Kreise der Länderbeauftragten der Gauck-Behörde, auch gegen den Willen von Zweiflern am Wahrheitsgehalt, losgetreten und vom "Spiegel" Nr. 20/99 vom 17. Mai 1999 in die Öffentlichkeit gebracht.

Sehr viele Medien, auch Funk und Fernsehen kolportierten dieses Thema in den verschiedensten Varianten. Grundtenor war immer: das MfS verursachte mit "Bestrahlungen" den Tod der drei Menschen.

Trotz gegenteiliger kompetenter Bekundungen wird nun auch im "Deutschland Archiv" dieses Thema erneut behandelt.

Deshalb sollte auch ein Wort ehemals kompetenter leitender  Mitarbeiter des MfS, zu denen auch ich gehöre, angebracht sein.

Zuvor jedoch in aller Sachlichkeit ein Blick auf jene "Indizien", die für einen solchen Verdacht herangezogen wurden und sogar zum Teil  recht locker, unkritisch und verantwortungslos als "Beweise" für die Behauptungen  benutzt werden.

 

Es wird eigentlich immer wieder - wie aus heiterem Himmel - behauptet, die "Stasi" habe in den Untersuchungs- Haftanstalten "Regimekritiker" verstrahlt,  nicht etwa viel gefährlichere Spione oder Terroristen. Niemand käme jemals auf den Gedanken, daß die gleichartigen Geräte - bekannt seit 1974 - in den bundesdeutschen Haftanstalten jemals zur "Verstrahlung" von Menschen eingesetzt werden.

Emotionen werden mit diesem Thema immer wieder - mit oder ohne Gitarre - regelrecht hochgekocht. Jeder, der das hört oder liest spürt,  das wäre eine Ungeheuerlichkeit, so heimtückisch und hinterhältig, daß man die Täter bestrafen müßte.

Kenner der Szene,  auch aus den alten Bundesländern, die alle Verdächtigungen dieser Art als Phantastereien beurteilen, stellen die Frage: warum lassen sich das die Mitarbeiter des MfS gefallen, warum setzen sie sich nicht zur Wehr und gehen gegen diese Beleidigungen vor.

Das wollen wir - als ehemals Verantwortliche in Berlin-Hohenschönhausen - auch tun.

Deshalb haben wir öffentlich begrüßt, daß die mangels Beweisen vor Jahren schon eingestellten Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft wieder aufgenommen wurden.

Deshalb haben wir uns auch - das waren Generalmajor K. Coburger, Generalmajor G. Niebling und Oberst S. Rataizik - in der Presse angeboten, an der Aufklärung dieses ungeheuerlichen Verdachtes mitzuwirken.

Das taten wir in der noch immer währenden Überzeugung, daß sich ein solcher Verdacht niemals bestätigen wird.

Die Staatsanwaltschaft hat dieses Angebot auch angenommen und entsprechende Untersuchungshandlungen geführt.

Was gibt es nun aus der Sicht kompetenter ehemals leitender Mitarbeiter zu diesem Thema zu sagen ?

Anfang der 80ger Jahre entstand bei verantwortlichen Mitarbeitern der Untersuchung und des Untersuchungshaftvollzuges, nach positiven Erfahrungen bei der Zollverwaltung und in Strafvollzugsanstalten des Ministeriums des Innern, der Gedanke "Durchleuchtungsgeräte" zur intensiven Kontrolle von Effekten inhaftierter Personen anzuschaffen und einzusetzen.

Das erfolgte deshalb, weil zunehmend Beweismittel in Schuhen, anderen Bekleidungsgegenständen und Taschen usw. durch die Festgenommenen versteckt worden waren.

Das war häufig bei inhaftierten Spionen der Fall, die bestimmte nachrichtendienstliche Hilfsmittel auf diese Weise versteckt mit sich trugen.

Durch die Leitung des Untersuchungshaftvollzugs wurden solche Geräte für die Anstalt in Berlin-Hohenschönhausen und für einige weitere der insgesamt 15 Haftanstalten der Bezirksverwaltungen des MfS beschafft.

Das in der U-Haftanstalt Gera des MfS vorgefundene Gerät gehört sicher auch dazu.

Welche anderen Haftanstalten solche  Geräte erhielten ist ohne die entsprechenden Dokumente für uns als Ehemalige nicht nachzuvollziehen.

Die Anschaffung und die Vorbereitung des Einsatzes geschah in enger Zusammenarbeit und ständiger Konsultation mit wissenschaftlich ausgebildeten Experten des zuständigen Operativ-Technischen Sektors (OTS) des MfS. Durch Spezialisten dieses Bereiches wurden auch - ähnlich wie bei den Zollorganen an den Grenzübergangsstellen - jene Mitarbeiter des Untersuchungshaftvollzugs ausgebildet, geschult und trainiert, die mit solchen Geräten zur Kontrolle der Effekten zu arbeiten hatten.

Diese Geräte bewährten sich jedoch nicht, oder deren Benutzung wurde zunehmend unnötig, so daß man die Arbeit damit wieder einstellte.

So wurden sie in Berlin- Hohenschönhausen z. B. neben der sogenannten Effektenkammer, in Gera eben im Fotoraum und anderenorts sicher auch an ähnlichen Stellen und Räumen stehen gelassen und aufbewahrt.

Es müßten also noch genügend derartige Geräte zur Verfügung stehen, die auf ihre Einsetzbarkeit begutachtet werden könnten.

In voller Verantwortung für unsere ehemalige Tätigkeit im MfS, Bereich Untersuchung und U-Haftvollzug erklären wir - natürlich in Übereinstimmung mit unseren Bekundungen gegenüber der Ermittlungsbehörde:  Solche "Durchleuchtungs-Röntgengeräte" wurden in den Untersuchungshaftanstalten des MfS niemals gegen Menschen eingesetzt. Die Gründe dafür lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

  1. Unsere politisch-moralische Auffassung und Haltung als Mitarbeiter des Untersuchungsorgans und des Untersuchungshaftvollzuges des MfS, unsere Erziehung zur Achtung  der Würde des Menschen, zur Korrektheit und Anständigkeit auch gegenüber Inhaftierten, Gegnern und Feinden der DDR verbot es uns, über die Anwendung solcher Dinge gegen Menschen überhaupt nachzudenken geschweige denn solche anzuwenden.

  2. Die sozialistische Gesetzlichkeit, die mit dem Völkerrecht in Übereinstimmung stehenden, für die Untersuchung bedeutenden Rechtsvorschriften der DDR, z. B. Artikel 4 des Allgemeinen Teils des STGB der DDR - ("Schutz der Würde und der Rechte des Menschen") sowie die auch für diesen Bereich in der Aktenbehörde nachlesbaren Befehle und Weisungen ließen derartige Dinge nicht zu und bedrohten sie natürlicherweise mit Strafe. Eben wie in jedem zivilisierten    Staat. 

  3. Die im Zusammenhang mit den Beschuldigungen immer wieder angeführten technischen Geräte sind von ihrer Konstruktion, Beschaffenheit und Handhabung absolut ungeeignet, gegen Menschen eingesetzt zu werden. Die Strahlendosis ist nach Experteneinschätzung viel zu schwach, Schäden der beschriebenen Art bei Menschen herbeizuführen, ähnlich den auf Flughäfen gebräuchlichen "Durchleuchtungsgeräten".

Vielleicht erhellt das die ganze Unhaltbarkeit der Beschuldigungen gegen das MfS, wenn definitiv und - natürlich auch nachvollziehbar durch die Gauck-Behörde - festgestellt werden muß, daß es zu den Zeiten der Untersuchungshaft von

J. Fuchs (1976) und R. Bahro (1978) in der MfS-Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen überhaupt noch keine solchen Geräte gab. 

Um diese Feststellungen der ehemaligen Mitarbeiter des MfS nicht einfach und allein gegen die aufgestellten Behauptungen zu setzen, sollen noch einige Dinge - überwiegend  aus Medien - angeführt werden, die zumindest beachtenswert sind, ohne den Ermittlungsergebnissen vorgreifen zu können oder zu wollen.

 

Wir, die wir uns öffentlich gemeldet haben, wollen diese sachliche Ebene trotz der ungeheuerlichen Behauptung auch nicht verlassen, und sehen den Ergebnissen der Ermittlung mit Ruhe und Gelassenheit entgegen.

Es gibt, so hoffen wir sehr, genügend Beweise für unsere Darstellung einschließlich der Begutachtung der Geräte.

Will man dennoch weitere Informationen über die Untersuchungshaft des MfS, so soll man objektive Menschen befragen, die beispielsweise als Diplomaten bei ca 3500 Besuchen ihre Landsleute in den Haftanstalten des MfS sprachen oder man stütze sich auf Menschen, die sich unter den ca. 32000 freigekauften ehemaligen Häftlingen aus der DDR befinden, und ohne Voreingenommenheit bereit sind zur Wahrheit beizutragen.

 

 

Dr. Gerhard Niebling