junge Welt
Wochenendgespräch
05.02.2011 / Wochenendbeilage / Seite 1 (Beilage)
»An der Spaltung der Gesellschaft soll festgehalten werden«
Gespräch mit Reinhard
Grimmer und Wolfgang Schmidt. Über Kommunismushysterie,
Dioxin-Eier und »Stasi« sowie das Interesse an
sachlicher Information über die DDR
Robert
Allertz
Oberst a. D. Dr. Reinhard Grimmer ist Jurist und war von 1960 bis
1990 Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der
DDR (MfS).
Oberstleutnant a. D. Wolfgang Schmidt ist Kriminalist und
arbeitete im MfS von 1957 bis 1990. Sie sind Mitautoren der Bücher »Fragen an das MfS...« (2010) und »Die Sicherheit« (Zwei Bände, 2002)
Dioxin-Skandal erweitert sich zur Stasi-Affäre«, hieß es bei der Berliner
Morgenpost, »Chef
von Futterfetthersteller war IM der Stasi« auf Zeit online, »Dioxin-Panscher war ein
mieser Stasi-Spitzel«
krähte die Bild, nachdem die Märkische Allgemeine am 20. Januar
die Lawine mit der Meldung losgetreten hatte: »Skandal: Chef der
Dioxin-Firma war Stasi-IM«. Und worauf berief sich
das Blatt? Auf »Akten
der Birthler-Behörde,
die der MAZ vorliegen«.
Welch Zufall aber auch.
Schmidt: Welch Zufall aber auch, genau. Die Kommunismushysterie
ist medial am Abflauen, da muß man nachlegen. Und es war ein echter
Knaller. Als wir bei Google die beiden Begriffe Dioxin und Stasi am 1.Februar
eingaben, wurden bereits rund 572000 Einträge angezeigt.
Die Intelligenz scheint außerhalb der Redaktionen höher zu sein: Jeder, den
ich traf, griff sich an die Stirn und fragte, was der
Lebensmittelskandal mit dem MfS zu tun habe. Nicht die frühere IM-Tätigkeit eines Geschäftsführers, sondern die jetzige
Profitmacherei sei das Problem. Mal ist es Gammelfleisch,
ein andermal Glykol im Wein, jetzt also Dioxin im Tierfutter, weil ein
Futterhersteller u. a. altes Frittenöl untergemischt hatte, womit - wie die
MAZ meldete - die Erlöse des
Unternehmens dank IM »Pluto« um über 20 Prozent gesteigert
werden konnten.
Grimmer: Wollen wir wirklich weiter auf diesem Quatsch
herumreiten? Fachleute wie Prof. Dr. Dieter Schrenk von der TU Kaiserslautern,
leitender Toxikologe und Lebensmitteltechniker im dortigen Fachbereich Chemie,
sprach am 15. Januar auf Radio 1 von Panik und unangemessenen Reaktionen. Man könne täglich und jahrzehntelang
solche angeblich dioxinbelasteten Eier essen, ohne daß dies merkliche
Folgen für die Gesundheit hätte.
Mit einem Wort: Alles mal wieder Sturm im
Wasserglas.
Grimmer: Ja, natürlich, aber wie man
sieht, durchaus geeignet, politisches Kapital daraus zu schlagen.
Nana, ich
denke, es war ein Rohrkrepierer.
Schmidt: Vielleicht im Osten. Wir würden nicht ausschließen wollen, daß tief im Westen diese Verknüpfung von Stasi-Dioxin-Unrechtsstaat funktioniert. Das fällt auf gut bestellten antikommunistischen Acker. Und für die weniger Leichtgläubigen zog man
zeitgleich Klaus Singer aus dem Zylinder. Der Büroleiter der Linksparteichefin
Gesine Lötzsch - Achtung, Kommunismus! - war von 1978
bis 1981 auch bei »der Stasi«, wie die Postillen flächendeckend vermeldeten.
Er leistete in jener Zeit bekanntlich seine Wehrpflicht beim Wachregiment in Berlin-Adlershof ab - wie vor und nach ihm 70000 andere
DDR-Bürger auch. Buch, wie gruselig. Und Springers
B.Z. legte nach und »enthüllte«, daß eine ehemalige
Schreibkraft des MfS bereits seit 20 Jahren bei der Bundestagsverwaltung
angestellt sei und nun als Sekretärin für die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau arbeite. Das rief den unvermeidlichen Knaben aus
Hohenschönhausen auf den Plan, der am 31. Januar von der
Gazette mit dem Satz zitiert wurde: »Die Linke im Bundestag
wird immer mehr zum Auffangbecken für Stasikader.«
Alaaf, helau, kann man da nur zurück in die Butt rufen,
schließlich ist Karneval, weshalb folgerichtig Bild am
26.Januar hinausblies: »Stasi spionierte sogar Düsseldorfer Karneval aus«, denn: »Ein Leipziger Spitzel bricht sein Schweigen«.
»Brechen« ist gewiß die angemessene Reaktion ... Kurzum, wir haben es mal wieder mit einer besonders
lautstarken, besonders albernen Phase der Stasi-Hysterie zu tun.
Schmidt: Ja, wofür es mehrere Gründe gibt. Wegen der Zuspitzung der gesellschaftlichen Probleme
trotz vermeintlich nationaler Wirtschaftskonjunktur braucht man, wie stets,
Nebenkriegsschauplätze. Das ist die klassische
Methode: Man schreit »Haltet den Dieb!«
und langt unterdessen selbst zu. Zweitens ist da die Euro-Krise. Machen wir uns
nichts vor: Zu viele EU-Staaten kriegen ihre Finanzprobleme nicht mehr in den
Griff, das hat Folgen auch hierzulande. Drittens schließlich gibt's diverse Vorfälle in der Bundeswehr,
da geht's nicht um die Demontage eines Ministers, sondern ums »harte Durchgreifen«, was man ja in allen
Bereichen der Gesellschaft gern möchte... Die Büchse der Pandora ist geöffnet, da ist
ablenkender Klamauk vonnöten.
Und den garantiert noch
immer die Staatssicherheit?
Schmidt: Offenbar.
Der neue Mann der zuständigen Bundesbehörde ist gewählt, am 15.März wird er das gut dotierte
Amt antreten. Dem Pfarrer Gauck und der Katechetin Birthler
folgt nun der Journalist Jahn. Was weiß man über ihn? Und was
qualifiziert ihn für
diesen Job?
Grimmer: Aus der Sicht seiner Proteges seine Vita: Ostdeutscher, »Stasi-Opfer«, immerhin einige Monate
Haft, ehe er 1983 aus der DDR ausreiste, 1985 beim Versuch der illegalen
Einreise neuerlich ausgewiesen, aktiver Antikommunist in Westberlin, von wo aus
er gegen die DDR arbeitete, legal als Fernsehjournalist beim SFB-Fernsehmagazin
»Kontraste«, illegal mit einem
privatem Nachrichtendienst, der Geld, Kopierer, Papier, Flugblätter, in der DDR indizierte Druckerzeugnisse über die Grenze schmuggelte. Außerdem arbeitete Jahn
dort für den Piratensender »Radio Glasnost«, der sich als »Untergrundsender« in der DDR gerierte,
weil er 0-Töne sogenannter Oppositioneller ausstrahlte. Jahn
war eine der »wichtigsten Kontaktstellen zwischen ostdeutschen
Bürgerrechtlern und West-Medien«, wie die Berliner Zeitung wohl nicht ganz unzutreffend schrieb.
Er beschäftigte das MfS bis zu dessen Ende, weil für uns nur schwer vorstellbar war, daß solche Aktivität ohne direkte oder indirekte Kooperation mit westlichen Geheimdiensten
möglich sein sollte. Kurz, Jahn war ein agiler,
umtriebiger Mann, aktiv seit Jahrzehnten im Dienste
des Antikommunismus.
Gut, aber selbst die kältesten Kalten Krieger
werden mal müde.
Grimmer: Er ist jetzt 57 und macht nicht
diesen Eindruck. Erst unlängst hat er vorm
Verwaltungsgericht als politisch Verfolgter in der DDR geklagt.
Aber
er hat verloren und mußte die Kosten des Verfahrens tragen. Das
Gericht lehnte es ab, ihn nach seiner Ausbürgerung weiter als Opfer gelten zu
lassen. Vielleicht wollte man auch nur die Opferrente sparen
...
Grimmer: Es ginge ihm nicht ums Geld, sondern ums Prinzip, sagte
er. Und: Nicht die sogenannten Täter hätten darüber zu entscheiden, wann
seine Verfolgung endete. Er habe noch lange mit den Folgen der erlittenen
Traumata zu kämpfen gehabt. Der Richter war trotzdem der
Auffassung, daß
die Anerkennung seiner politischen Verfolgung nur bis zum Verlassen der DDR möglich sei, unabhängig davon, ob die
Ausreise freiwillig erfolgt sei oder nicht.
Na
also, der Rechtsstaat hat doch ganz vernünftig entschieden und Jahn
seine Grenzen gezeigt.
Schmidt: Wir würden daraus keine
allgemeinen Schlüsse ziehen. Eine
Schwalbe macht so wenig einen Sommer wie ein vernünftiger Richter einen gerechten bürgerlichen Rechtsstaat.
Die Unvernunft schien mir ganz woanders zu
wohnen.
Schmidt: Nämlich?
Jahn hat sich in allen Bundestagsfraktionen,
um deren Stimmen er buhlte, vorgestellt, zuletzt auch bei
der Linkspartei, die ihn dann mitwählte. Gregor Gysi hatte vorher erklärt, die Mehrheit in der Fraktion
sehe ihn »eher
positiv«.
Grimmer: Was soll man dazu sagen? Eigentlich wäre die Wahl doch eine Gelegenheit gewesen, den ganzen Unsinn einer
Behörde, die den Steuerzahler jährlich etwa 100 Millionen Euro kostet, im Bundestag zur Sprache zu bringen.
Wenn Gregor Gysi, der dem Vernehmen nach
seinerzeit in der DDR Jahn verteidigen sollte, was dann aber
sein Kollege Wolfgang Schnur besorgte, jedem - auch Jahn - ganz im Marxschen Sinne
die Möglichkeit
auf Veränderung
zugesteht, ist das doch in Ordnung. Die Bundesrepublik hat schließlich auch
Nazi- und Kriegsverbrecher zu vorbildlichen Demokraten erzogen.
Grimmer: Ja, das finden wir auch. Gleichwohl reklamieren wir
Zweifel an Jahns Läuterung. Die
innenpolitische Lage erfordert offenkundig einen Scharfmacher an der Spitze der
Behörde für die Unterlagen des
MfS, die - in den Augen von Knabe und Co. - in der letzten Zeit ein wenig schwächelte
und »erhebliche Mängel« aufwies, so die Berliner Zeitung. Auch der Bundespräsident, der Mitte Januar eine neue »Stasi-Ausstellung« eröffnete, warnte davor, »die Diktatur in der DDR zu verklären«. Es sei erschreckend, daß von vielen heute
Menschenrechtsverletzungen und Unfreiheit ausgeblendet würden. Wulff, so meldeten die Agenturen, habe kritisiert, »daß viele Täter die Folgen ihres Handelns bis heute verharmlosen oder die Opfer verhöhnen«.
Das ist die alte Platte, die er in Schloß
Bellevue vorfand. Die muß er auch spielen.
Schmidt: Wir geben zu, daß wir die illusionäre Erwartung hatten, der neue Bundespräsident werde 20 Jahre nach dem Ende der DDR eine größere Souveränität mitbringen. Wir wollen nicht das Wort seines Vorgängers Rau bemühen, der von »Versöhnen statt Spalten« sprach.
...und das selbst kaum einlöste.
Schmidt: Wulffs Signal ist eindeutig: Verfolgung, Diffamierung,
Ausgrenzung, Denunziation und Geschichtsklitterung gehen ungebrochen weiter, an
der Spaltung der Gesellschaft soll festgehalten werden.
Die Bischöfin der Evangelischen
Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, hat aber auch in Richtung MfS vorsichtig Versöhnung bei den Opfern
angemahnt.
Grimmer: Und ist sofort in das Feuer jener geraten, die jeglichen
differenzierten Umgang mit der DDR-Geschichte ablehnen. Das Problem besteht
dabei nicht darin, daß
wir angeblich keine kritische und selbstkritische Sicht auf die DDR-Geschichte
und unsere eigene Tätigkeit besitzen. Es
geht vielmehr darum, daß wir den Idealen, für die wir gearbeitet haben, abschwören sollen - und das ist
mit uns nicht zu machen.
Daß die herrschende Klasse
und ihre Lakaien so handeln, wie es ihnen ihr Klassenauftrag aufgibt, überrascht mich nicht. Was mich eher verwundert, ist das Erstaunen
bei Ihnen und Ihresgleichen, daß sich der frühere Gegner noch immer so verhält. Wäre da nicht Kampf statt
Lamento angesagt?
Schmidt: Wir kämpfen doch! Nur ein
Beispiel: Im Vorjahr haben Werner Großmann und Wolfgang
Schwanitz ein Buch herausgegeben - im übrigen nicht das erste
-, an dessen Erarbeitung mehr als zwei Dutzend ehemalige Mitarbeiter des MfS,
darunter auch wir, beteiligt waren. Inzwischen sind die »Fragen an das MfS. Auskünfte über eine Behörde« in dritter erweiterter Auflage erschienen. Fragen, die nach den
ersten beiden Auflagen im Verlag und bei den Autoren eingingen, wurden berücksichtigt. Autoren des Buches sind allein 2010 bundesweit auf
nahezu 50 Lesungen aufgetreten und haben sich mit etwa 3500 Menschen
ausgetauscht. Die Diskussionen waren ausnahmslos lebhaft und anregend.
Grimmer: Eine der interessantesten Veranstaltungen von den rund
200 Lesungen, die wir seit Erscheinen unseres Doppelbandes »Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS« 2002 bestritten haben, war die im November im Ständehaus in Görlitz, die ein Pfarrer
im Ruhestand moderierte. Gekommen waren evangelische Christen, Historiker,
Selbständige, Ärzte, Polizeibeamte,
ehemalige Angehörige der NVA, der Volkspolizei,
des MfS, des SED-Apparates, selbst Zeugen Jehovas waren da. Fast vier Stunden
wurde sachlich diskutiert, und erst nach acht Stunden - es war schon morgens
gegen zwei Uhr - verabschiedete sich der letzte. Bemerkenswert war die Einschätzung eines Kirchenmannes, der sich gegen voreilige
Schuldzuweisungen aussprach. Erst beim Jüngsten Gericht, bei dem
alles offen, vollständig und unverfälscht vorläge, werde endgültig und gerecht entschieden. Dabei hätten vermutlich andere Leute mehr zu befürchten als Mitarbeiter des MfS. Am nächsten Tag gab es einen
dreistündigen Stadtrundgang als Honorar.
Schmidt: Nach unserem Eindruck ist das Interesse an
Sachinformationen zum Thema stetig gewachsen. Es ist gleichsam Reflex auf die
und Gegenbewegung zur Anti-MfS- und Anti-DDR-Propaganda. Unsere Glaubwürdigkeit wächst im gleichen Maße, wie die der Mainstreammedien und der
Politiker abnimmt.
Das heißt offiziell »Verklärung und Verherrlichung«.
Grimmer: Ist es aber nicht. Wir schreiben 2011. Die DDR ist lange
weg und wird so nicht wiederkehren. Wir alle leben in der Gegenwart und sind
mit aktuellen Problemen konfrontiert. Das provoziert einerseits Auseinandersetzung
mit den akuten gesellschaftlichen Widersprüchen und andererseits
Souveränität im Urteil bei sehr
vielen Menschen, die über DDR-Erfahrungen
verfügen.
Nämlich?
Grimmer: Nur drei Punkte: Das Friedensengagement der DDR wird
heute anders gesehen als damals. Die Gründe müssen wir nicht ausführen. Daß
die westlichen Geheimdienste überall ihre Finger drinhaben, was nun offenbar ist, begründet im Nachgang die Notwendigkeit von Schutz- und
Sicherheitsorganen und daß sich die DDR mit
gleichen konspirativen Waffen zur Wehr setzte. Und schließlich: Wenn Geldmacherei zum Hauptantrieb einer Gesellschaft wird,
verarmen die zwischenmenschlichen Beziehungen. Immer mehr setzt sich die
Erkenntnis durch, daß
die DDR nicht wegen Mangel an Demokratie, Menschenwürde und Unfreiheit weg mußte. Die DDR wurde
beseitigt, weil sie die Bundesrepublik objektiv allein durch ihre Existenz
daran hinderte, die Nummer eins auf dem Kontinent zu werden. Seinerzeit warnten
nicht nur die Linken vor einer europäischen Hegemonialmacht
Großdeutschland - die haben wir nun. Die
Bundesrepublik ist Spitzenreiter im Export wie beim Sozialabbau, sie dominiert
die EU und diktiert anderen die Bedingungen. Der Osten sei der Testfall, der
Laborversuch für den Turbokapitalismus,
hieß es damals. Genau so ist es gekommen: Die Erprobung
war erfolgreich, jetzt ist das bundesweit der Normalfall: Niedriglohnland,
Polizei- und Überwachungsstaat, NATO-Kriegsteilnehmer,
Ausgrenzungs- und Abschiebefestung.
Sie können sich ja noch richtig aufregen.
Grimmer: Weil uns das doppelt wütend macht: Wegen der
Tatsache an sich, und weil es keine politische Kraft gibt, zumindest sehen wir
sie nicht, die den Unmut, der landesweit herrscht, aufnimmt, bündelt und in Handlungen umsetzt. Die Folge sind Resignation und Rückzug in die Nische. In die zogen sich viele auch in der DDR zurück, das haben wir nicht vergessen. Aber die Massenflucht ins
Private, wie sie heute stattfindet, ist ohne Beispiel. Umso eruptiver die
gelegentlichen Ausbrüche, sofern ein Konflikt
kulminiert. Wir erinnern nur an Stuttgart und die AKW-Proteste des Vorjahres.
Da standen keine Partei und keine Organisation dahinter, nur der Zorn Unzähliger über die arrogante
Politik der Mächtigen nach Gutsherrenart.
Nun entscheidet
sich die Zukunft eines Landes nicht an einem gigantischen Bahnhof, an
Kernenergie oder, um ein Beispiel vor Berlins Toren zu
nennen, an einem Flughafen. Wobei ich den Verdacht nicht loswerde,
daß
viele der Schönefeld-Protestierer
vor allem der Werteverlust ihrer neuen Häuser und Grundstücke verärgert. Hätte man Berlin-Brandenburg-International
in Oranienburg oder Nauen errichtet, hätte das die meisten der
jetzt Betroffenen kaum gekratzt und auf die Straße getrieben.
Schmidt: Das Problem sehen wir auch. Wir haben es mit einer flächendeckenden Entsolidarisierung zu tun. Das Herrschaftsprinzip
des Teile und Herrsche funktioniert erkennbar. Es wird lange brauchen, ehe sich
diese Mitmenschlichkeit und Grundsolidarität - wenn überhaupt - wieder herstellen läßt, die es in
weiten Teilen der DDR-Gesellschaft gab,
deren Wert sich erst durch ihren Verlust zeigt. Der Geist ist aus der Flasche,
und er wird unter den heute herrschenden Verhältnissen nicht wieder
dorthin zurückkehren.