"Der Anzeigenkurier" vom 06. Januar 2005

 

Der letzte Chef der DDR-Aufklärung, geboren am 9. März 1929, ist verheiratet, hat drei Kinder und fünf Enkel. Er stammt aus
der Gegend von Pirna, studierte 1949 bis 1951 an der TU Dresden Pädagogik, wurde FDJ-Funktionär, besuchte 1952 als
„ Werner Olldorf" die Schule des außenpolitischen Nachrichtendienstes (APN).

           

Die Eiszeit verhindert

 

Zu Besuch bei dem Mann, dem und dessen Mitarbeitern auch wir heute den Weltfrieden verdanken.

 

Peter Maffay hat in seinem Hit „Eiszeit" ein Endzeitszenario beschrieben. Es ist eine Hymne für alle Menschen, die sich nach einer friedvollen Zukunft sehnen. Dass Sie in der Silvesternacht das Glas Champagner unbeschwert erheben und Ihrem Gegenüber so fröhlich „Auf ein glückliches 2005" zuprosten konnten, das haben die Menschen dieser Welt unter anderem einem Mann zu verdanken, der heute in einer kleinen Wohnung in Berlin lebt. Familienfeiern, Konzertbesuche, Buchlesungen, Gespräche mit Kampfgefährten und Interessenten am einstigen Berufsleben füllen den Kalender des- 75-Jährigen: Werner Großmann, Chef der DDR--Aufklärung, bricht alle Klischees, die einem Spionagechef im Allgemeinen zugeschrieben werden.

 

Der „007" prescht durch die Brohmer Berge, doch es ist nicht der Leinwandheld James Bond. Es ist eine wirklich wichtige Person, Gast einer Königin. Der Blick schweift über die Ueckermünder Heide. Den wenigsten Lesern ist bewusst: Ihm verdanken viele Menschen der Welt ihr Leben. Sein Job war eine Schlüsselposition in der weltweiten Auseinandersetzung zwischen Ost und West - an einer der sensibelsten Nahtstellen sorgte er mit den richtigen Informationen für Verhinderung der Konfrontation. Durch ihn hat das „rote Telefon" nie versagt: Werner Großmann, von Anfang an als Aufklärer dabei, übernahm 1986 von Markus Wolf die Leitung der legendären Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin.

 

Aufklärung verhindert Krieg

 

Es war 1982, als Großmann mit dem Stellvertretenden Vorsitzenden des KGB und Leiter der l. Hauptverwaltung Aufklärung, Wladimir Krjutschkow, in Jasenowo bei Moskau zusammentraf. Der Chefaufklärer der Großmacht Sowjetunion, also der führenden Macht im Warschauer Pakt, sieht infolge des seit 1979 anhaltenden fieberhaften Raketen-Nachrüstungsfiebers in Europa die Welt vor dem Ausbruch des Dritten Weltkrieges. Der Kalte Krieg ist noch lange nicht beendet. Und Ronald Reagans „Spaß" 1981 nach einer Fernsehansprache, als er glaubte, die Mikrofone seien bereits ausgeschaltet: „Wir beginnen mit der Bombardierung (der Sowjetunion) in fünf Minuten" zeugt von der aggressiven Militärpolitik der USA.

Doch wegen des Wissens aus solchen Quellen wie „Topas" alias Rainer Rupp aus dem Brüsseler Hauptquartier der NATO kann die HVA entgegen der Moskauer Bedrohungspsychose und entgegen der öffentlichen Propaganda davon ausgehen, dass in der NATO niemand den atomaren Erstschlag seitens des Warschauer Paktes erwartet, dass der Pakt jedoch analog auf einen solchen reagieren würde.

Solange das Patt zwischen Ost und West gewahrt bleibt, bleiben die Beziehungen zwischen den militärischen Blöcken der Welt stabil - Ein nukleares Inferno wurde verhindert. Durch die Aufklärungsarbeit der HVA konnten die Poli­tiker militärische Situationen realistischer einschätzen und den Weltfrieden wahren!

 

Medieninteresse am Frühaufsteher

 

Der grauhaarige große Mann ist 75 Jahre alt. Noch immer fasziniert seine eindrucksvolle Statur. Gelassen antwortet er auf Fragen, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Wir essen leckeren Quarkkuchen, plaudern über Nachbarschaftshilfe und Familie. Drei Kinder haben Werner und Brigitte Großmann großgezogen. Auf ihre fünf Enkel und zwei Urenkel sind sie stolz. Die kleine Wohnung ist gemütlich eingerichtet, im Arbeitszimmer finden sich viele Erinnerungen an ein international geprägtes Leben.

Werner Großmann ist ein Frühaufsteher. Das ist er gewohnt aus seiner Dienstzeit. Heute muss er nicht mehr zur Arbeit, heute ist Zeitung lesen die erste Morgentätigkeit. Frühstücksfernsehen, 8.30 Uhr Frühstück essen, dann geschäftig den Tag verbringen: Geburtstagsgratulation, Arzttermin wahrnehmen, einkaufen. Der Supermarkt ist gleich um die Ecke, das Auto kann in der Tiefgarage bleiben. Zeit zu haben, selbst Auto fahren, das genießt der vor 1990 als einer der Mächtigsten der DDR gehandelte Mann heute. Und den Familienzusammenhalt, ohne den er die schwere Nachwendezeit nicht verwunden hätte.

Manche Interviewanfrage trudelt auf den Tisch. Schnell hat der Generaloberst a.D. gemerkt, wie unterschiedlich die Blickwinkel aus Ost und West sind, doch stellt er sich offen allen Fragen. Das holländische Fernsehen drehte mit ihm, Printmedien geben sich in regelmäßigen Abständen seine Klinke in die Hand. Sein Buch „Bonn im Blick" hat nicht nur in Deutschland Interessenten gefunden. Im Mai 2004 fand die Buchpräsentation ei­ner dänischen Ausgabe in Kopenhagen statt.

Die HVA war aber nur ein Teil des Ministeriums für Staatssicherheit: Nur 4.200 der 98.000 Mitarbeiter des Mielke-Ministeriums arbeiteten in der HVA.

 

Duell der Geheimdienste

 

Vehement verhinderten die HVA-Leute, dass operative Daten in das im Aufbau befindliche EDV-System des MfS eingespeichert wurden. Ihr Wissen hatte natürlich ein hohes Maß Brisanz: Auslandsnachrichtendienst bedeutete, über Hintergründe, Vorhaben und mögliche Schritte der anderen Seite informiert zu sein, ihr Verhalten deuten und im Idealfall voraussagen zu können. Durch die theoretisch-wissenschaftliche Informationsauswertung wird der Gegner berechenbar. Berechenbarkeit ist eine wichtige Grundlage für Vertrauen in der Politik. In den 70-/80-er Jahren bedeutete das Vertrauen, ein nukleares Inferno zu verhindern. Die HVA-Mitarbeiter waren Aufklärer im Namen des Volkes. Die politische und ökonomische Lage der DDR allerdings bereitete den Aufklärern immer wieder große Probleme in der operativen Arbeit.

Verzweifelt muss dagegen das Bundesamt für Verfassungsschutz wegen guter Absicherung der HVA-Quellen gewesen sein. Fast alle Aktivitäten gegen Kundschafter laufen ins Leere. Wenn die Verfassungsschützer glauben, eine Werbung gepackt zu haben, „sind wir mit im Geschäft", schmunzelt Werner Großmann.

Manches Lob der Gegenseite wurde gedruckt. Der Kriminaldirektor im BKA, O. M. Engberding, veröffentlicht 1993 in seinem Buch „Spionageziel Wirtschaft": „Die Nachrichtendienste der DDR hatten derart schwere Einbrüche in unsere Spionageabwehr erzielt, dass wir nur noch solche Enttarnungen verbuchen konnten, die uns der Zufall oder eine Panne beim Gegner beschert oder die uns der gegnerische Nachrichtendienst wohlüberlegt zugestanden hat."

Dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) ergeht es nicht besser. Der freie Journalist „Siegbert" alias Herbert Kloss bringt vom stellvertretenden Chef des MAD, Oberst Joachim Krase, so viele Interna mit, dass „der MAD wie ein offenes Buch vor uns liegt", weiß Großmann. Beinahe wäre daraus sogar ein Sach­buch geworden - zu DDR-Zeiten, gedruckt in der Deutschen Demokratischen Republik - ein Kabinettstückchen!

 

Aufgeklärte Politik

 

„Als Feuertaufe für die Effektivität des Dienstes unter meiner Leitung galt der Honecker-Besuch im September 1987 in Bonn", bestätigt Großmann. Die Staatsvisite war das herausragende Ereignis des Jahres. Alle Dokumente aus dem Bundeskanzleramt und der anderen bundesdeutschen Entscheidungsgremien sind vor Beginn der Reise bekannt. „Die DDR-Delegationsmitglieder brauchten keine Überraschungen zu befürchten", resümiert Großmann trocken. Einen sehr unsensiblen Erich Mielke informieren die Aufklärer während des Besuches live aus ganz anderen Quellen - entsprechend der Reportagen und des Videotextes aus dem Fernsehen. Des Ministers unbeirrbarer Glaube, die Großmann-Männer wüssten immer alles zu jeder Zeit, wurde aufrecht erhalten, ohne eigene Quellen zu gefährden. Seit 1975, als Werner Großmann durch einen Befehl Minister Mielkes zum stellvertretenden Leiter der HVA ernannt wurde, lag die nachrichtendienstliche Bearbeitung der politischen Entscheidungszentren der Bundesrepublik und Westberlins in einer, seiner Hand. Ebenfalls übernahm er die Gesamtverantwortung für die Kontakte zu Alexander Schalk-Golodkowski.

Schon 1967 übergab Markus Wolf   die    Kronjuwelen    der HVA, die Abteilung l, welche die Regierung der Bundesrepublik bearbeitete, an Großmann, der bis dahin das Verteidigungsministerium der Bundesrepublik betreute. „Die uns allen  gemeinsame   Motivation bestand objektiv darin, einen Beitrag   ....   zum   Frieden   zu leisten",    kommentierte    Botschaftsrat Klaus von Raussendorff, Aufklärer der HVA seit 1961 und bis zu seiner Verhaftung    1990   im   Auswärtigen Amt der BRD tätig, die Basis der Zusammenarbeit.

Waren   MfS-Mitarbeiter  Kriminelle? „Mehr als 6000 Ermittlungsverfahren wurden gegen Mitarbeiter   des   Ministeriums und Kundschafter eröffnet", erzählt Werner Großmann. Alle Verfahren   gegen   hauptamtliche Mitarbeiter wurden eingestellt bzw.   durch  einen   Beschluss    des    Bundesverfassungsgerichtes     aufgehoben. Verfahren gegen Kundschafter endeten mit Haftstrafen bis zu 12 Jahren.

 

Plaudertaschen und Prämien

 

In den 80-er Jahren sind es vor allem hohe Funktionsträ­ger der BRD, die offenherzig Interna ausplaudern, wenn sie ihr Pendant in Wirtschaft oder Politik in der DDR besuchen. „Wir sitzen immer mit am Tisch", kommentiert Großmann die Informationsflut jener Zeit.

Auch die Geheimdienste der Bundesrepublik strecken ihre Fühler in den 80-er Jahren in die DDR aus. HVA-Angehörige sind ebenso wie leitende Mitarbeiter von Nationaler Volksarmee (NVA), der Volkspolizei aus dem Staatsapparat und der Wirtschaft im Visier der Anwerber. 500.000 DM konnten Markus Wolfs Schwiegersohn nicht zur Zusammenarbeit bewegen. Der Sohn des ehemaligen DDR-Verteidigungsministers Heinz Hoffmann lehnt eine Million DM ab. „Jährlich registrierten wir 40 solcher Versuche", bestätigt Großmann.

Seine Leute beginnen ihrerseits ein Nachrichtenspiel: Sie schieben den BND-Werbern fünf DDR-Bürger unter. Dass diese IMB, also Inoffizielle Mit­arbeiter mit Feindberührung, sind, bemerkt der gegnerische Dienst erst, als die HVA an die Agentenführer herantritt.

 

Die Ein-Megabit-Lüge, die verschwundenen Rentengelder und von Visionen eines 75-Jährigen

 

Umgekehrt lief die Aufklärung der bundesrepublikanischen Dienste äußerst erfolgreich weiter. In der Anklageschrift gegen leitende Mitarbeiter der HVA vom 10. Juni 1991 erklärt der MAD-Gutachter Petersen: dass „... ab 1983 der MAD, bezogen auf die Nachrichtendienste der DDR und der UdSSR, seinen Abwehrauftrag nicht mehr ausreichend habe erfüllen können."
Den heißen Krieg, das Inferno (den Einsatz von Massenvernichtungswaffen) zu verhindern, war oberstes Ziel des Außenpolitischen Nachrichtendienstes und der Militäraufklärung der DDR. Dafür waren Wissenschaftler, Journalisten, Militärs, Politiker, Diplomaten und auch Verfassungsschützer als Spitzenquellen der HVA im Westen im Einsatz - 30 von ihnen plauderten erst, als sie für das Buch „Kundschafter im Westen" (2003, Verlag Das Neue Berlin, ISBN 3-360-01049-3) darum gebeten wurden.

 

Der Mann ohne Gesicht

 

Zu seinem 60. Geburtstag schenkte Markus Wolf ihm das druckfrische Buch „Die Troika". Genau zehn Jahre später nimmt Großmann des­sen gerade erschienene Erinnerungen „Spionagechef im geheimen Krieg" in die Hand.
Und musste feststellen, dass der einst so vertraute Kamerad eine unbekannte Seite hat. Dabei glaubte er, Markus Wolf zu kennen. Seit 1979 wohnte Großmann im Zweifamilienhaus in der Oberseestraße unter Markus Wolf. Im Dienst in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg sitzt Großmann im zehnten Stock, damit über Wolf, dessen Erster Stellvertreter er seit 1983 ist. Seine Verantwortung für die operative Arbeit, also die Führung der „Quellen", steigt. Vom offiziellen Wechsel an der Spitze des MfS am 15. November 1986 bekommen weder die Bürger in der DDR noch die westlichen Medien etwas mit. Als „Die Welt" im Juni 1987 die Neuigkeit verbreitet, ist Großmann ein Mann ohne Gesicht und mit einer falschen Biografie. Das amüsiert ihn, der sich infolge solider Aufklärung in den Chefetagen des Bundesnachrichtendienstes, der Landesämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Staatsschutzes und in deren Archiven und Ablagen besser auskennt als die meisten der dortigen Mitarbeiter. Es macht ihn aber auch betroffen, interne Probleme der DDR mit Lügen zu überspielen. Die „Ein-Megabit-Lüge" ist ihm besonders peinlich, denn er und der russische Geheimdienst KGB wissen genau, woher die Grundlagen des DDR-Superchips kommen, der 1988 von Erich Honecker der UdSSR auf der RGW-Leistungsschau als Überlegenheit der DDR-Wissenschaft vorgeführt wird.

 

Die Geschichte der HVA im Block

 

Werner Großmann hat in „Bonn im Blick" seine Biografie beleuchtet. Er hat für „Kundschafter im Westen" Gespräche geführt und das Vorwort geschrieben. Er ist hier geblieben, als es bequemer gewesen wäre, ins Exil zu gehen. Er hat nie einen Mitarbeiter verraten. Es schmerzt ihn, dass es einen Namensvetter Karl-Christoph und andere gab, die sich ihr Wissen gut bezahlen ließen und manchen Menschen zerstört haben. Welche Pläne hat jener Mann, der in schwieriger Zeit der Fels in der Brandung war und menschliche Größe bewies, für die Zukunft? „Ich möchte die Geschichte der HVA zu Papier bringen", blickt Großmann auf eines seiner nächsten Vorhaben. Einfach wird das nicht. Die Dokumentationen sind fast alle vernichtet. „Die Zeit von 1952 bis 1990 soll einmal als Sachbuch erscheinen", nennt Großmann seinen Anspruch an die Wahrheit. „Aber das kostet Zeit."

Zeit nimmt sich Werner Großmann für alte Weggenossen. Zu manchen Kundschaftern hat er erst nach seinem ersten Buch Kontakt gefunden Viele der Einzelschicksale sind auch ihm erst so bekannt geworden. Man sucht bei ihm Rat. „Das sind ganz schön viele geworden", gesteht der Ex-stellvertretende Minister. „Manche Panne, manche persönliche Niederlage verkrafte ich, doch persönliches Leid meiner Kundschafter wirkt nach", schreibt Großmann in seiner eigenen Biografie. Der Mann, in dessen Hand die Fäden für den Weltfrieden zusammenliefen und der die Grundlagen dafür perfekt leitete, spricht voller Hochachtung und Dankbarkeit von den früheren Kundschaftern. Er wird hart, wenn er auf das Ende seines Dienstes zu sprechen kommt. Nur Verrat durch einige ehemalige Mitarbeiter löste die sittenwidrige Strafverfolgung, anhaltende Diskreditierung, Diffamierung und gnadenlose Ausgrenzung aus.

 

Wo ist die Rentenkasse geblieben?

 

Im Gegensatz zu den DDR-Kundschaftern wurden Spione westlicher Dienste  in der  Bundesrepublik  Deutschland voll rehabilitiert und finanziell für ihre Tätigkeit belohnt. „Diese Ungleichbehandlung widerspricht völkerrechtlicher Praxis", bringt Großmann das Gebaren auf den Punkt.  Er kommt  auf  das  Rentenstrafrecht   zu   sprechen.   Obwohl der Einigungsvertrag die Überführung aller Rentenansprüche von ehemaligen DDR-Bürgern in die gesetzliche Rentenversicherung der BRD vorsah, veranlasste die Bundesregierung in der entsprechenden Gesetzesvorlage   die   Kürzung   der Renten bei Personengruppen, „deren Beitrag zur Errichtung und  Erhaltung  der DDR bedeutsam war". Das der Rentenberechnung  zugrunde  gelegte Einkommen wurde speziell für Mitarbeiter des  MfS auf  65   Prozent   der   Durchschnittsrente  der  Bürger der DDR gedrückt.  Konkret: Kein Angehöriger   des   genannten Ministeriums bekam mehr als die Höchstrente von 802 DM monatlich. Der Bundestag stimmte 1991 dieser Regelung zu. Zwar wurde dagegen gekämpft. Durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes von 1999 wurde die Rente jedoch nur auf 1,0 Entgeltpunkte festgelegt. 2001 wurde dieser Ansicht in einer Gesetzesvorlage vom Bundestag zugestimmt. Mit den wahren Verhältnissen und dem in Gutachten belegten Ansprüchen hat es wenig zu tun.

Werner Großmann, der seinem Land loyal diente und als Generaloberst aus dem Dienst schied, kann sich mit den Altersbezügen eines BfV-Präsidenten Heribert Hellenbroich (seinerzeit auf 12.000 DM monatlich geschätzt) nicht messen. Großmann wird wie ein ehemaliger Unteroffizier der Bundeswehr bezahlt. Die Rente entspricht nicht dem, was in die Rentenkasse eingezahlt wurde! 3,2 Milliarden DDR-Mark standen in der Rentenkasse des MfS zu Buche. „Wo ist dieses Geld geblieben?", hinterfragt Großmann zu Recht dessen Verbleib.

 

Seine Visionen sind keine Geheimnisse

 

Vor 42 Jahren begann Werner Großmann seinen Dienst im Auslandsnachrichtendienst der DDR. Ein ganzes Arbeitsleben lang war er Aufklärer, voller Hoffnung, Zuversicht und Überzeugung, das Richtige zu tun. Auch er hatte die Vision einer Welt mit dauerhaftem Frieden, sozialer Gerechtigkeit und einer sicheren Zukunft. Möge die Herrschaft des Geldes nicht die letzte Antwort der Geschichte sein.

Etwas Mystisches umgibt den letzten Leiter der Hauptabteilung Aufklärung der DDR noch immer. Vielleicht liegt es daran, dass drei Journalisten zur gleichen Abendveranstaltung mit Werner Großmann gehen, der eine darüber als ein Treffen alter Männer bei ratternder Kaffeemaschine berichtet, der nächste einen faszinierenden Autoren entdeckt und der dritte ein bisschen das Hier und Heute mit dem Lebensweg jenes Mannes da vorn im Präsidium und deutscher Geschichte verbindet? Wie auch immer, die Region im Herzen des Verbreitungsgebietes des Nordkurier hat Werner Großmann in einem waldfarbenen X-Trail mit dem Kennzeichen „...- 007" entdeckt und zu bewundern gelernt. Er war Gast der Ratteyer Weinkönigin, tourte durch das Tal der Hirsche, besuchte Bekannte an der Haffküste, las in Hansestädten. Und bei seiner Buchlesung in Deutschlands Blaubeerstadt Eggesin ist er auf weitere Freunde gestoßen.
Wenn Werner Großmann am 9. März seinen 76. Geburtstag feiert, werden nicht nur sie dem Patrioten gratulieren. Denn er hat durch sein Verhalten nach der Niederlage bewiesen, dass die DDR-Auslandsaufklärung eine besondere moralische und politische Qualität hatte.