Junge Welt

12.04.2008 / Inland / Seite 5

Etwas ist faul im Land

GBM soll durch antikommunistische Kampagne mundtot gemacht werden

Ralph Hartmann

Viel Lärm um nichts« - diese Komödie Shakespeares könnte einem in den Sinn kommen, wenn man das schrille Protestgeschrei von Berliner CDU- und SPD-Vertretern sowie von sogenannten Opferverbänden gegen die Rentenberatung der »Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde« (GBM) vernimmt. Doch es geht um mehr. Gezetert wurde gegen die Sprechstunde der GBM in einer Bibliothek im Stadtbezirk Lichtenberg. Während die dortige Bezirksstadträtin für Kultur Katrin Framke (Die Linke) Innensenator Ehrhart Körting zunächst um eine Einschätzung der Organisation gebeten hat, reagierten andere Bezirke in vorauseilendem Gehorsam: In Pankow und Treptow-Köpenick dürfen die Beratungen vorerst nicht mehr in öffentlichen Gebäuden stattfinden - »bis die Vorwürfe geklärt sind«.

Die Vorwürfe? Die GBM wird als »Stasi-Organisation« bezeichnet. Gefordert wird, sie künftig vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen und ihr den Status der Gemeinnützigkeit zu entziehen. Die Gesellschaft soll mit der »Stasi-Keule« erschlagen werden. Sie soll politisch isoliert und finanziell erwürgt werden. Natürlich mit rein legalen Mitteln unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates.

Die GBM ist den Geschichtsrevisionisten, den notorischen DDR-Hassern schon lange ein Dorn im Auge. Denn ihr Name »Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde« ist Programm. Die GBM hat sich große Verdienste um eine historisch gerechte Einordnung der DDR in die deutsche und internationale Geschichte erworben, sie hat sich stark gemacht für den Schutz der Interessen der ehemaligen Bürger des untergegangenen ostdeutschen Staates, und sie hat den Kampf gegen Demokratie- und Sozialabbau in der Bundesrepublik aufgenommen.

Erst kürzlich erinnerte ihr Vorsitzender, Professor Wolfgang Richter, in einem Brief »an die Solidargemeinschaft GBM« an das Ringen um Rentengerechtigkeit, an die Tätigkeit im Forum Menschenrechte, an die sieben Weißbücher und die »Ostdeutschen Memoranden«, in denen die Entwicklung im Anschlußgebiet Ost detailliert und glänzend analysiert wird, sowie an die ständigen Galerieausstellungen von Künstlern aus der DDR. Hinzu kommt das Mitwirken am Europäischen Tribunal gegen den völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien, die Beteiligung an der Gründung des Europäischen Friedensforums (efp) und die Mitgliedschaft im Weltfriedensrat. Nahezu entscheidend hat die Gesellschaft dazu beigetragen, die anhaltende Diskriminierung der Ostdeutschen und die aus antikommunistischem Haß gespeiste Verleumdung und Delegitimierung der DDR bloßzustellen.

Diese Leistungen der GBM, und nicht ihre Rentenberatung in einer Bibliothek oder ihre angeblichen »Stasi-Verbindungen«, sind der eigentliche Grund für die jetzigen Attacken gegen die Gesellschaft. Keineswegs zufällig besteht der Hauptvorwurf der Berliner SPD-Abgeordneten Sven Kohlmeier und Tom Schreiber an die Adresse der GBM darin, »nachweislich die DDR-Vergangenheit zu bagatellisieren und zu verklären«. Das allerdings ist eine Todsünde. Der über der DDR angehäufte Lügenberg ist sakrosankt. Kein Geringerer als Bundespräsident Horst Köhler hat unlängst nachdrücklich vor einer »Verklärung der DDR« gewarnt.

Wohin soll es auch führen, wenn am Vorabend des 20. Jahrestages der »friedlichen Revolution« und der »deutschen Wiedervereinigung« die Wahrheit über die DDR verbreitet wird? Hier ist guter Rat teuer, aber Springers Bild hat ihn und läßt ihn durch solche bewährte DDR-Geschichtsaufarbeiter wie den Chef der SED-Opferorganisation »Help«, Peter Alexander Hussock, und den Direktor der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, formulieren. Ersterer meint: »Es ist eine Verhöhnung der Demokratie, wenn diese Leute öffentlich auftreten dürfen Und Knabe stimmt ihm zu: »Die Verherrlicher der SED-Diktatur haben in öffentlichen Räumen nichts zu suchen

Die GBM aus der Öffentlichkeit zu verbannen, das ist bei weitem nicht nur der Traum der Herren Knabe und Hussock. Doch ihr Herzenswunsch wird nicht in Erfüllung gehen. Die Antwort auf die jüngste Verleumdungskampagne kann nur sein, die GBM durch Spenden und den Eintritt neuer Mitglieder zu stärken. Denn, und noch einmal sei Shakespeare, wenn auch leicht abgewandelt, bemüht: »Something is rotten in the state of Germany« - »Etwas ist faul im Staate Deutschland«.

Ralph Hartmann ist Autor des Buches: Die Liquidatoren. Der Rechtskommissar und das wiedergewonnene Vaterland, edition ost, Berlin. 256 Seiten, 14,90 Euro