30.09.2003
"Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Maden selbst im Sauerkraut" reimte einst Wilhelm Busch.
Schon die erste Meldung zu einem verhafteten angeblichen Auftragskiller der DDR machte den aufmerksamen Zuschauer bzw. Leser stutzig. Von Auftragsmorden im Auftrag des DDR-Staatsapparates war da die Rede, zweifellos keine zufällige Wortwahl. Das hinderte allerdings die Medienmeute nicht daran, mit geballter Ladung sich vielfach widersprechende wüsteste Spekulationen abzusondern, in deren Zentrum – wie nicht anders zu erwarten und in gewohnter volksverhetzender Weise – die Oberteufel vom Dienst, die Mitarbeiter der "Stasi" gestellt wurden.
Das Thema "Killerkommandos des MfS" ist nicht neu und fast alles, was jetzt wieder ausgegraben wurde, sind längst widerlegte, zig-fach geprüfte alte Hüte. Im Buch "Siegerjustiz?" (Kai Homilius Verlag 2003 ) werden in einem gesonderten Kapitel ( Seiten 157 – 184 ) die Mordvorwürfe gegen das MfS und ihre letztliche Unhaltbarkeit beschrieben.
Die DDR war keine Bananenrepublik. Alle unnatürlichen Todesfälle und zunächst unerklärliche plötzliche Todesfälle wurden gerichtsmedizinisch untersucht. Bei geringsten Hinweisen auf strafbare Handlungen ermittelten unter staatsanwaltlicher Aufsicht die Morduntersuchungskommissionen der Kriminalpolizei oder in politisch heiklen Fällen die Morduntersuchungskommission des MfS. Die hohe Qualität der gerichtsmedizinischen Untersuchungen und kriminalistischen Ermittlungen und deren beweiskräftige Dokumentation hielt nach 1990 selbst bösartigsten Beschuldigungen stand. Erinnert sei z.B. an die Fälle des angeblichen Honecker-Attentäters und des ermordeten Angehörigen der Grenztruppen Reinhold Huhn.
Nach den trotz Nachrichtensperre durchsickernden Details hat sich ein verdeckter Ermittler des BKA glaubwürdig als CIA-Mitarbeiter ausgegeben, der einen erfahrenen Killer suche. Da hierzulande wohl niemand Zweifel an der CIA-Lizenz zum Töten hegt, wie auch an der finanziellen Attraktivität einer Tätigkeit für die CIA, hat vermutlich der so angesprochene Jürgen G. seine Lektion "Wie bewerbe ich mich richtig?" repetiert. Er meinte wahrscheinlich nicht zu Unrecht, dass er sich der CIA als besonders skrupellos und "berufserfahren" präsentieren müsse.
Nun hat Herr Nehm einen selbst ernannten Killer und sucht nach passenden Leichen. Mehr als zwei Dutzend müssten es schon sein.
Man könnte das ganze Theater schmunzelnd verfolgen, wäre es nicht zugleich auch eine fiese Masche, um die DDR wieder einmal als Verbrecher-Staat zu denunzieren. Den immer noch aktiven kalten Kriegern sind selbst die onkelhaft-dümmlichen Ostalgie-Shows suspekt. Auch nach dem Untergang der DDR erscheinen ihnen die unausrottbaren sozialistischen Erfahrungen der DDR-Bürger als furchtbare Bedrohung, zumal das eigene System sich zunehmend sozialer Verpflichtungen entledigt.
Möglicherweise hatte Jürgen G. eine militärische Spezialausbildung, die mit der Grenzschutztruppe GSG 9, den Spezialeinsatzkommandos (SEK) der bundesdeutschen Polizei oder dem Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) vergleichbar ist. Das KSK hat derzeit im Afghanistan-Einsatz Gelegenheit das lautlose Töten u.ä. praktisch zu üben. In diesem Fall funktioniert aber die verhängte Nachrichtensperre.
Wolfgang Schmidt