jungeWelt

26.04.2007 / Schwerpunkt / Seite 3

Aufklärung unerwünscht

Sächsische Landtagsfraktionen und »Birthler-Behörde« verweigern sich öffentlicher Diskussion über MfS-Tätigkeit. Linksparteipolitiker drängt auf Veröffentlichung seiner Stasi-Akten

Markus Bernhardt

Die politische Hetzjagd auf ehemalige Angehörige und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR nimmt immer absurdere Züge an. Zumindest in diesem Punkt waren sich die meisten der rund 70 Anwesenden einig, die am Dienstag abend auf Einladung der Linksfraktion.PDS an der Veranstaltung »Die Akte. Das Leben. Die Wahrheit...« im sächsischen Landtag teilnahmen.

Ursprünglich hatten die Demokratischen Sozialisten geplant, an diesem Abend auch mit Mitgliedern der anderen Landtagsfraktionen ins Gespräch zu kommen, um die vor allem von konservativen Politikern erhobene Forderung, der zufolge dem Linksparteipolitiker Dr. Volker Külow aufgrund einer Tätigkeit für das MfS in den Jahren 1988 und 1989 das Landtagsmandat zu entziehen sei, zurückzuweisen. Diese verweigerten sich jedoch jedweder öffentlichen Debatte. Einzig sechs Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion - darunter auch der Alterspräsident des Landtages, Professor Cornelius Weiss - reagierten mit einem Schreiben an den Vorsitzenden der Linksfraktion Peter Porsch auf die ausgesprochene Einladung (siehe rechte Spalte).

Gesprächsverbot

Anstatt sich jedoch mit der Faktenlage im »Fall Külow« zu befassen, unterstellten die Sozialdemokraten den Veranstaltern, den »Ex-Spitzel IM Külow als aufrechten Kämpfer für die gerechte Sache darstellen zu wollen« und forderten eine »Auseinandersetzung mit den Opfern« des Linksparteipolitikers ein. Daß dieser in der Vergangenheit bereits mit den von seiner MfS-Tätigkeit Betroffenen gesprochen hatte, interessierte die sozialdemokratischen Moralapostel dabei genausowenig wie die Tatsache, daß Külow niemandem konkret geschadet hatte. Auch auf die von Külow bereits mehrfach erhobene Forderung, die über ihn angelegten Akten komplett zu veröffentlichen, gingen die SPD-Abgeordneten mit keinem Wort ein. Dies ist umso erstaunlicher, da sich die interessierte Öffentlichkeit durch eine derartige Veröffentlichung ein eigenes Bild über die gegen den Sozialisten gerichteten Vorwürfe machen könnte.

Daß weder den Abgeordneten der Landtagsfraktionen noch der sogenannten Birthler-Behörde daran gelegen ist, den »Fall Külow« sachlich aufzuarbeiten, war bereits im Vorfeld der Veranstaltung deutlich geworden. Hatte die Linksfraktion mit Helmut Müller-Enbergs doch einen Mitarbeiter der Birthler-Behörde eingeladen, um zu den gegen Volker Külow gerichteten Vorwürfen Stellung zu nehmen. Obwohl sich Müller-Enbergs zur Teilnahme an der Veranstaltung bereit erklärte, wurde ihm dies von seinen Vorgesetzten untersagt.

Spitzel und Freiheitskämpfer

Während Volker Külow forderte, seine politische Biografie nicht auf zwei Jahre MfS-Tätigkeit zu beschränken, übernahm der frühere Führungsoffizier des Politikers, Heinz Lichtwark, die Verantwortung für die Tätigkeiten des Historikers, da er Külow schließlich rekrutiert habe. Gleichzeitig sei er es aber leid, sich ständig für seine Tätigkeit rechtfertigen zu müssen, so Lichtwark.

 

Der ebenfalls anwesende Autor und Filmemacher Hans-Rüdiger Minow berichtete über sein Zusammentreffen mit Volker Külow, den er kurz vor der sogenannten Wende mit seinem Team im Rahmen der Reportage »Ich werde kämpfen!« begleitet hatte. Ebenso wie Heinz Lichtwark hatte der Filmemacher am Dienstag Vormittag vor dem geheim tagenden Bewertungsausschuß des Landtags ausgesagt und versucht, die Vorwürfe gegen Külow zu entkräften.

Peter Porsch, Fraktionschef der Linkspartei im sächsischen Landtag, forderte einen anderen Umgang der Westdeutschen mit DDR-Biografien. »Ich bin schon sehr verwundert, daß alle Spitzel zufällig im Osten gelebt haben sollen und im Westen nur Freiheitskämpfer zu Hause waren«, konstatierte er. Zudem wies Forsch darauf hin, daß die ehemaligen Bürger der DDR im Rahmen der sogenannten Wiedervereinigung gezwungen gewesen seien, ihr ganzes bisheriges Leben kritisch zu hinterfragen. Dies sei ein Zustand, der manchen »Bundis«, wie Forsch die Westdeutschen nannte, nicht geschadet hätte.

Während Volker Külow weiter gegen die »Atmosphäre der Rechtfertigung« kämpfen will, wird der »Bewertungsausschuß« des Landtages im Mai über das weitere Vorgehen des Landtages in der gegen Külow gerichteten Posse entscheiden.