junge Welt

26.04.2007 / Schwerpunkt / Seite 3


»Nüchterne Debatte über die DDR ist notwendig«

Solidaritätserklärung für Linksparteiabgeordneten sorgt für Debatten über Parteigrenzen hinweg. Gespräch mit Susanne Schaper

Markus Bernhardt

Susanne Schaper ist Initiatorin eines Solidaritätsaufrufes für den sächsischen Landtagsabgeordneten Dr. Volker Külow (Linkspartei.PDS)

Sie haben sich Mitte Februar mit einem Solidaritätsaufruf an die Öffentlichkeit gewandt, um gegen eine mediale Kampagne zu protestieren, die sich gegen den Leipziger Vorsitzenden der Linkspartei.PDS und Abgeordneten des sächsischen Landtages Dr. Volker Külow richtete. Külow wird vorgeworfen, 1988/89 für die Staatssicherheit der DDR gearbeitet zu haben. Wie ist die bisherige Resonanz auf den Aufruf?

Dieser Aufruf war mehr als eine Solidaritätserklärung für Volker Külow und die mediale Kampagne gegen ihn nur der Anlaß. Unser Aufruf soll junge Leute motivieren, nicht die gängigen Bewertungsschablonen aus dem Schulunterricht oder den Medien für die Beurteilung der DDR-Geschichte zu übernehmen. Ebenso, wie es fatal wäre, hochdotierte und Oscarprämierte Filme wie das »Leben der Anderen« als historischen Quellennachweis über die Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit heranzuziehen. Wir wollten mit dem Aufruf zudem darauf hinweisen, daß man sich gerade heutzutage wieder darum sorgen sollte, wie ureigenste Freiheits- und Bürgerrechte mittels einer Sicherheitskampagne und dem Totschlagargument »Terrorismusbekämpfung« beschnitten werden. Eben dieser Kontext unseres Aufrufes führte offenbar zu einer großen Anzahl an Unterstützern. In wenigen Tagen erreichten uns über 400 zustimmende Zuschriften. Aktuell haben über 1000 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet den Aufruf unterzeichnet.

 

Auch in der Linkspartei.PDS können sich manche Funktionäre gar nicht oft genug von der Staatssicherheit distanzieren. Wie wurde der Solidaritätsaufruf in Ihrer Partei aufgenommen?

Unterschiedlich. Von großen Teilen der Parteibasis in Sachsen, aber auch bundesweit kam viel Zustimmung und Ermutigung. »Es ist Zeit, daß das mal jemand sagt«, hieß es oft in den Zuschriften. Auf der Funktionärsebene war das schon differenzierter. Es gab sogar Versuche, Unterzeichner des Aufrufes zum Rückzug ihrer Unterschrift zu bewegen.

 

Wie erklären Sie sich, daß einzelne Mitglieder der sogenannten »Jungen Linken«, dem Jugendverband der sächsischen Linkspartei, hinter vorgehaltener Hand in den Chor antisozialistischer Kräfte einstimmen und ihre eigenen Abgeordneten nicht einmal vor den durchschaubaren Angriffen der etablierten Parteien schützen?

Ich habe den Verdacht, daß bei einigen Befürwortern der Fortsetzung der »Stasi-Bereinigung« in der Linkspartei der Ansatz vorherrscht, daß zu den »Wahlprüfsteinen« der SPD und anderer Bündnispartner, die man für eine erträumte Regierungsbeteiligung 2009 braucht, die »weiße Weste« gehört. Dies schließt die opportunistische Abrechnung mit dem sogennanten DDR-Unrecht und die prinzipielle Verdammung des Ministeriums für Staatssicherheit ein.

 

Wäre es nicht an der Zeit, innerhalb der Linkspartei eine nüchterne Debatte über das Wirken der Staatssicherheit zu führen, frei von Denunziationen und Hysterie?

 

Eine nüchterne Debatte ist nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig. Unsere politischen Gegner werden diese Diskussion immer instrumentalisieren und unsachlich führen und bemüht sein, die DDR einzig auf das Ministerium für Staatssicherheit zu reduzieren. Vor allem aber müssen wir gegen die Gleichsetzung der DDR mit dem Faschismus vorgehen, die heutzutage seitens der anderen Parteien immer wieder vorgetragen wird, um damit die sozialistische Idee ein für allemal zu diskreditieren.

Fernab davon ist die Gleichsetzung der DDR mit dem Terrorsystem der Nazis jedoch auch eine unzulässige Verharmlosung des Faschismus.

 

Selbsternannte Bürgerrechtler werden nicht müde, der DDR und ihren Sicherheitsorganen »Staatsterrorismus-« zu unterstellen. Wie glaubwürdig kann diese Kritik vor dem Hintergrund der stetig steigenden Überwachung in der Bundesrepublik überhaupt sein?

Genau das thematisieren wir ja mit unserem Aufruf. Manche sagen, die verfehlte Sicherheitspolitik der DDR könne nicht mit den Entwicklungen der BRD zum Überwachungsstaat gerechtfertigt werden - was ja auch keiner will. Allerdings meinen wir sehr wohl, daß Politiker, die binnen fünf Jahren unter Berufung auf den 11. September 2001 extraordinäre Geheimdienstmethoden wie Telefon- und Kontoüberwachung, großer Lauschangriff etc. flächendeckend zur Bedrohung für jeden Bürger gemacht haben, kein Recht besitzen, sich als Vertreter der Bürgerrechte aufzuspielen. Von der automatischen Gesichtserkennung, biometrischen Personal-und Kinderausweisen, der Verwendung von Mautdaten und der in Nordrhein-Westfalen bereits angewandten Online-Durchsuchung privater Computer einmal ganz zu schweigen. Personen, die all diese aufgezählten Angriffe auf die Bürgerrechte befürwortet haben und gleichzeitig Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR verfolgen, diskriminieren und diffamieren, sind unglaubwürdig. Egal, wie man zum Charakter dieser Tätigkeiten steht: Man darf die historischen Notwendigkeiten beider deutschen Staaten in der damaligen Zeit in den unterschiedlichen Blöcken und an der Trennlinie des Kalten Krieges nicht unbetrachtet lassen.