© Tageszeitung »neues deutschland« 23.11.2012
Wachregiment keineswegs geehrt
Abgeräumter Stein vor Hotei in Massow sollte nur
sachlicher
Hinweis für
Gäste sein
Von Andreas Fritsche
Es sollte keine Gedenkstätte werden und nicht
einmal eine Würdigung
bedeuten, sondern lediglich ein Hinweis sein. Das war die Idee, von ehemaligen
Offizieren des Wachregiments »F.
E. Dzierzynski« in die Tat umgesetzt. Die Männer sind nun überrascht, welche
Aufregung dadurch entstanden ist, wie große Kreise die Angelegenheit zieht. Hubertus
Knabe, Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, hat sogar die Justiz eingeschaltet.
In Massow
(Dahme-Spreewald) befindet sich eine alte Kaserne, in der früher Teile des
Wachregiments stationiert waren. Die Unterkünfte sind längst abgerissen. Es stehen aber noch einige Gebäude, beispielsweise das
inzwischen heruntergekommene Kulturhaus - und das einstige Stabsgebäude, das zum Hotel
umfunktioniert wurde. Gäste
fragen sich, was hier früher
gewesen ist. Ihnen sollte geholfen werden.
Auf dem durch Spenden der
Offiziere finanzierten Stein steht nur eine sachliche Information. Es hat
hiervon 1960 bis 1990 einen Schieß- und Ausbildungsplatz des Wachregiments
gegeben. Der Vorwurf, dass eine Ehrung beabsichtigt war, lässt sich durch die
Inschriften auf zwei Seiten nicht belegen. Eine Wertung fand sich nirgends. Der
Betrachter müsste
sich zusätzliche
Informationen besorgen und könnte
sich dann seine eigene Meinung bilden.
Es kann eigentlich keine Rede
davon sein, dass hier das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verherrlicht wird oder
Opfer des SED-Staates verhöhnt
werden. Gleichwohl ist reflexartig genau davon die Rede. So erklärte Grünen-Landtagsfraktionschef
Axel Vogel, das Wachregiment habe »als Teil des staatlichen Unterdrückungsapparates der DDR« dem MfS unterstanden
und »paramilitärische Aufgaben« übernommen. »Es mit einem Gedenkstein
ehren zu wollen, kam einer Verhöhnung
der Opfer des DDR-Regimes gleich«, behauptete Vogel. Er freute sich, »dass die öffentlichen Proteste
gegen den hier zum Ausdruck kommenden Geist von gestern so schnell Wirkung
gezeigt haben«.
Denn die Leitung der Leonardo-Hotelkette hatte, aufgeschreckt durch das Aufsehen,
am Mittwoch veranlasst, den Findling wegzuräumen.
Freilich ließe sich einiges gegen das
Wachregiment vorbringen. So regte sich auch in dieser Truppe, wie in der
Nationalen Volksarmee (NVA), eine EK-Bewegung. Dabei drangsalierten einige länger gediente Soldaten
und Unteroffiziere die neu Hinzugekommenen. Gegen die schlimmsten Auswüchse wurde jedoch
vorgegangen, wenn sie bekannt wurden. Außerdem war das Wachregiment im Grunde genommen
viel zu groß.
Für
seine Hauptaufgabe, das Absichern von Objekten der SED- und DDR-Führung sowie des
Ministeriums für
Staatssicherheit, wäre
eine kleine Polizeieinheit ausreichend, das zeitweise sogar mit schwerem Geschütz ausgerüstete Regiment nicht
erforderlich gewesen. Die Soldaten und Offiziere waren aber beileibe keine
Geheimdienstler und für
eine konspirative Tätigkeit
nicht ausgebildet. Die Mannschaften bestanden aus Wehrdienstleistenden, die in
der Regel gar nicht wussten, was in den einzelnen Gebäuden vor sich ging, die
sie bewachten. Nicht einmal die Offiziere wussten immer so genau Bescheid, denn
dem Ministerium war Geheimhaltung äußerst wichtig.
Auch über den Namen Feliks Edmundowitsch
Dzierzynski lässt sich diskutieren. Der Gründer und Chef des
sowjetischen Geheimdienstes Tscheka ist in den blutigen Jahren des Bürgerkriegs bei der Bekämpfung von
Konterrevolutionären
nicht zimperlich gewesen und hat gewiss auch Unschuldige auf dem Gewissen. Doch
die 1967 erfolgte Verleihung des Namens an das Wachregiment wurde von oben verfügt. Das kann man den
Angehörigen
nicht ankreiden. Verschwiegen werden sollte der Name nun nicht. Die ganze Geschichte verdient eine seriöse Betrachtung. Dem wäre mit einer unaufgeregten
Debatte auch über
den Stein von Massow bestimmt gedient gewesen. Doch
wenn mit Geschichte Politik gemacht wird, wie es heute üblich ist, dann wird über Steine nicht lange geredet,
dann werden sie lieber schnell entsorgt.